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Berlin: „Mit den Zehenspitzen auf dem Sargdeckel“

Bauarbeiter leben gefährlich: Die Zahl der tödlichen Unfälle ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen

Die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle ist in den vergangenen Jahren stetig gestiegen – und das, obwohl der große Bauboom in Berlin längst der Vergangenheit angehört. Im Jahr 2000 hatte es neun Tote gegeben, im vergangenen Jahr waren es 14. Fast alle dieser Arbeitsunfälle geschahen auf Baustellen, sagt Robert Rath, Sprecher vom Landesamt für Gesundheit und technische Sicherheit (Lagetsi). Die beiden wichtigsten Unfallursachen seien Stürze von Gerüsten und Elektroschläge.

Am Montag waren, wie berichtet, auf der Baustelle des Hauptbahnhofs drei Arbeiter aus bis rund 15 Metern Höhe abgestürzt und verletzt worden. „Jeder Bauarbeiter arbeitet mit den Zehenspitzen auf dem Sargdeckel“, sagt Rath. Problematisch seien für das Landesamt nicht die großen Baustellen, da diese den Behörden angekündigt werden müssen und zudem ein Sicherheitskoordinator bestellt werden muss. Die Großbaustellen der Bahn sind nach Angaben des Lagetsi sogar vorbildlich. Das hat seinen Grund: Zum einen wird bei der Bahn jede Panne aufmerksam von der Öffentlichkeit wahrgenommen. Zum anderen bringt ein Unfall den Zeitplan durcheinander.

Und der ist auf dem Hauptbahnhof extrem eng. Denn der Termin für die Eröffnung liegt fest, der 28. Mai 2006. Trotz der hohen Sicherheitsstandards kommt es immer wieder zu Unfällen: Am Bahnhof Papestraße war im Dezember 2004 ein Bauarbeiter von einem Stahlträger erdrückt worden.

In der Hochzeit des Baubooms gab es in den 90er Jahren durchschnittlich 20 Tote jährlich auf den Baustellen. Diese Zahl sank zunächst erheblich, nachdem 1998 die so genannte Baustellenverordnung in Kraft getreten war, in der der Sicherheitskoordinator als haftender Ansprechpartner für die Behörden vorgeschrieben wurde. Im Falle eines schweren Unfalls wird das Lagetsi gemeinsam mit der Kriminalpolizei aktiv. Bei vorliegenden Sicherheitsmängeln kann die Baustelle so lange stillgelegt werden, bis die Fehler beseitigt sind. Das Lagetsi kann auch ein Zwangsgeld androhen. Zudem können Verstöße strafrechtlich geahndet werden.

Aufgrund des Kostendrucks am Bau würden oft die Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten, sagt Rath – und nennt ein Beispiel. Bei Dachdeckerarbeiten beim Lagetsi selbst beobachtete eine Angestellte Schlampereien. Sie wies die Arbeiter darauf hin, letztlich wurde die Baustelle stillgelegt. Nach einem Monat gab die Firma den Auftrag an das Land Berlin zurück: Begründung: „So haben wir nicht kalkuliert.“

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