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Berlin: Mit der Axt durch den Kompetenzdschungel

Der Beamtenbund will die Bezirksbürgermeister und -stadträte abschaffen, doch er stößt auf starken Widerspruch. Ein Pro & Contra

So soll es möglichst nie sein: Da hat sich gerade eine zuständige Bezirksamtsabteilung mit Antragsformularen, -zetteln und -unterlagen erfolgreich herumgeschlagen und es zu guter Letzt genehmigt. Und dann geht die ganze Chose zuständigkeitshalber noch zur Senatsbauverwaltung – wo die ganze Prüferei von vorne losgeht, und am Ende gar ein ablehnender Bescheid herauskommt und der Möchtegern-Bauherr dann zurück zum Bezirksamt muss…

Dieser Albtraum jedes Bürgers wird oft Wirklichkeit, wenn sich die Kompetenzen von Bezirk und Senat überschneiden. Grund genug, um die bezirkliche Kompetenzebene radikal einzudampfen, findet jedenfalls der Deutsche Beamtenbund (DBB). Am liebsten will er will das Zwei-Stufen-System aus Senats- und Bezirksebene im Zuge der Fusion mit Brandenburg ganz abschaffen. Anstelle des Bezirksbürgermeisters und seiner Stadträte soll es laut Beamtenbund, nach dem Vorbild Hamburgs, nur noch einen politisch unabhängigen Verwaltungsfachmann geben. Einmal, um Geld zu sparen, zum anderen, um Reibungsverluste in der Verwaltung zu vermeiden.

Ganz gleich, ob es um Bauanträge, Bibliotheksetats oder Straßenfeste geht: Viele Entscheidungen werden in den zwölf Bezirken getroffen, wo gewählte Bürgermeister und Stadträte das Sagen haben – die politisch agieren und taktieren. Kontrolliert werden sie durch die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV). Was sie selbstständig unternehmen dürfen und was nicht, beschreibt die Landesverfassung: Entscheidungen von „gesamtstädtischer Bedeutung“ fällt der Senat, so legte Stadtplanungssenator Strieder beispielsweise fest, wie Berlins Aushängeschild „Unter den Linden“ gestaltet werden soll. Der Bezirk Mitte musste zurückstecken.

Um unterschiedliche Ideen wird also fast täglich gerangelt – folglich lösen die Vorschläge des Beamtenbundes heftige Diskussionen aus. Für die meisten sind sie absoluter Blödsinn, aber davon lässt sich der DBB nicht beirren. Landeschef Joachim Jetschmann kritisiert, dass sich die Bezirksämter und BVVen „wie eine zweite politische Ebene“ aufführten. Dabei seien sie Teil der Verwaltung. Sein Mitstreiter von der DBB-nahen Gewerkschaft Komba, Jörg Wreh, will Personal- und Haushaltsfragen lieber in die Hände des Senates legen. Der Verwaltungsaufbau sollte vereinheitlicht, das politische Bezirksamt durch einen Bezirksamtsdirektor ersetzt werden, der die Verwaltung lediglich koordiniert. „Die BVVen sind dann selbstverständlich auch überflüssig.“

Joachim Zeller, CDU-Bezirksbürgermeister in Mitte, nennt die Vorstöße „absoluten Schwachsinn“. Sie gingen auf Kosten von Mitbestimmung und Bürgernähe. Man sehe jetzt schon, wie schwierig es sei, „Verwaltungshandeln zu vermitteln". Der Vorschlag komme zu einem Zeitpunkt, „wo andere Städte daran gehen, zu dezentralisieren".

Seiner Reinickendorfer Kollegin Marlies Wanjura (CDU) zufolge würde ein „starkes demokratisches Element wegfallen“. Mit gewählten Bürgermeistern und Stadträten könnten sich die Bürger besser identifizieren als mit einem reinen Verwaltungschef. In einem habe der Beamtenbund aber Recht: „Man muss Senat und Bezirken ganz klare Kompetenzen zuweisen“, sagt Wanjura.

Im Berliner Abgeordnetenhaus gibt es eher abwägende Stimmen: „Man sollte nicht über das Ziel hinausschießen“, sagt SPD-Fraktionschef Michael Müller. Die Politik habe gezeigt, dass sie sparen kann: 100 Abgeordnetensitze, sieben Senatsmitglieder und 11 Bezirke wurden in den letzten Jahren abgeschafft. Auf die Bezirksamtskollegien will Müller nicht verzichten, denn: „In Bezirken, die die Größe von Städten haben, ist eine zusätzliche Ebene mit politischen Ansprechpartnern sinnvoll.“ Für Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ist mit der Verwaltungsreform und der Bezirksfusion schon Wesentliches verändert worden. Das könne man doch nicht gleich wieder „über Bord werfen“.

Die Chefin der Gewerkschaft Verdi, Susanne Stumpenhusen, sieht die Kritik des Beamtenbundes hingegen durchaus positiv. Ohne Geld seien Bezirksbürgermeister und Stadträte ohnehin „zunehmend handlungsunfähig“. Die Frage sei, auf was man eher verzichten kann: „Nicht auf gut ausgestattete Bürgerdienste, aber auf Leitungspersonal, das nicht wirklich entscheiden kann.“ Tobias Arbinger

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