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Berlin: Mit der Geduld am Ende

Im öffentlichen Dienst soll es bis 2009 keine Gehaltserhöhung geben – die Beschäftigten wollen das ändern

Für die alleinerziehende Polizeiangestellte Erika Müller (Name geändert) wird es eng. Die 36-Jährige hat zwar einen sicheren Job und theoretisch arbeitet sie auch nur 37 Stunden. Doch in Wirklichkeit hat ihre Woche selten weniger als 40 Stunden, und in der letzten Woche vor Auszahlung ihres Gehaltes ist die Haushaltskasse regelmäßig leer. Deshalb hat sie sich auch der „Mahnwache“ der Gewerkschaft der Polizei vor dem Roten Rathaus angeschlossen – und legte dazu auch noch ihre wirtschaftliche Lage bis auf den letzten Cent offen. In der säuberlich aufgestellten Rechnung stehen unter dem Strich 173, 66 Euro im Monat. So viel bleibt der Angestellten nach Abzug der laufenden Kosten für die Wohnung, für BVG und Versicherungen, für Telefon und Taschengeld des 15-jährigen Sohnes.

Dramatisch verschärft hat sich die Lage von Erika Müller seit 2003. Denn in diesem Jahr vereinbarten der Innensenator und die Gewerkschaften den sogenannten „Solidarpakt“. Dieser sieht vor, dass die rund 100 000 Angestellten und Beamten Berlins bis 2009 auf Gehaltserhöhungen verzichten. Die Angestellten reduzierten außerdem ihre Arbeitszeit von 38, 5 Stunden auf 37 Stunden und verzichteten im Gegenzug auf acht bis zwölf Prozent ihres Gehaltes. Diese Einbußen wollen die Gewerkschaften nicht länger hinnehmen.

Die Durchsetzung dieser Forderung wird schwierig angesichts des Berliner Schuldenberges von rund 60 Milliarden Euro. Weil der öffentliche Dienst Berlins mit heute noch rund 110 000 Vollzeitstellen laut Finanzsenator Thilo Sarrazin immer noch besser ausgestattet ist als vergleichbare Städte wie Hamburg, muss weiter gespart werden. Bis 2011 sollen weitere 8000 Stellen wegfallen. Altersteilzeit und Vorruhestandsregelungen helfen beim Stellen- und Kostenabbau. Kündigungen verhinderte bisher der Solidarpakt.

„Alle anderen Länder und der Bund haben inzwischen die Löhne und Gehälter angehoben, Berlin muss mitziehen“, sagt Eberhard Schönberg, Landesbezirksvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Real hätten die Bediensteten heute 20 Prozent weniger in der Tasche als vor vier Jahren. Zu dieser Summe addierten sich die Einkommenseinbußen und die steigenden Kosten: denn Mieten, Strom und Wärme, Fahrscheine und Lebensmittel werden von Jahr zu Jahr teurer. Das geringere Einkommen wurde zwar mit einem „Freizeitausgleich“ versüßt, doch das ist aus Sicht der Polizisten eine Farce: Kaum einer von ihnen geht früher nach Hause, weil es zu viel Arbeit gibt. Die 800 Mitarbeiter des „Objektschutzes“ etwa schieben 100 000 Überstunden vor sich her.

Bei der Senatsverwaltung für Inneres weist man die Forderungen der Gewerkschaften nach 3 mal 300 Euro Einmalzahlungen zurück: „Unser Vertrag gilt bis Ende 2009, Gehaltserhöhungen sind darin ausgeschlossen“, sagt Sprecherin Nicola Rothermel. Die Behauptung der Gewerkschaft, wonach eine Klausel den Vertrag infrage stellt, wenn andere Bundesländer die Bezüge erhöhen, stimme so nicht: „Die Klausel sieht für diesen Fall Gespräche vor“, so Rothermel. Diese fänden gegenwärtig auch statt. Ob den Gewerkschaften aber ein Angebot unterbreitet wird, das entscheide der Senat in seiner Sitzung vom 21. August. Einen Tag vorher wollen die Gewerkschaften zum Warnstreik aufrufen.

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