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Mit den Händen der Kirche. Am Mittwoch besuchte Erzbischof Rainer Maria Woelki das Quartier.

© dapd

Roma-Dorf wird katholisch: Mit der Kirche gegen die Ghettoisierung

Ein katholisch geprägtes Immobilienunternehmen hat das so genannte "Roma-Dorf" in der Harzer Straße in Neukölln gekauft und will dort bessere Wohnverhältnisse schaffen.

Er habe von einem Hausbesitzer gehört, der seine Mieter ausbeutet, und von Kindern, die zusammen mit Ratten auf Müllhalden spielen. Deshalb sei er hergekommen, sagt Erzbischof Rainer Maria Woelki. Von den Ratten und dem Müll ist nichts mehr zu sehen, aber die Kinder sind noch da. Sie geben Woelki brav die Hand, aber mit einem echten Bischof zu reden, das trauen sie sich dann doch nicht.

Im „Roma-Dorf“ in der Harzer Straße am Ostrand Nord-Neuköllns leben rund 500 Rumänen in 100 Wohnungen, darunter viele Kinder. Der vorige Eigentümer ließ die Häuser nach Angaben des Bezirksamts seit Jahren verkommen und duldete ein einträgliches System illegaler Untervermietungen, das mit dem Geld der weitverzweigten Roma-Verwandtschaft am Laufen gehalten wurde. Zeitweise waren einzelne Wohnungen völlig überbelegt.

Im Juli wurden die Häuser an die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft verkauft. Das katholische Unternehmen ließ den Müll wegräumen und will die Häuser nun sanieren, den Roma bei der Integration helfen und für eine bessere Durchmischung der Mieterschaft sorgen. „Wir haben darin viel Erfahrung“, sagt Abteilungsleiter Helmut Marx. „Die Bewohner fangen an mitzuziehen und sind integrationswillig. Sie wollen den sozialen Aufstieg.“ Vor allem für die Kinder gebe es Perspektiven. 80 Roma-Kinder wurden an der benachbarten Hans-Fallada-Grundschule aufgenommen. Zwei deutsch-rumänische Pädagoginnen kümmern sich um sie.

Die Kaltmiete werde nach der Sanierung der Wohnungen zwischen 5,50 und 6,50 Euro liegen, sagt Marx. Damit ließe sich eine Rendite von vier bis fünf Prozent erwirtschaften. Erzbischof Woelki lobte das Engagement. „Ich finde es toll, dass man Wohnungspolitik auch anders machen kann.“ Die Roma hieß er ausdrücklich willkommen. Deutschland sei ein Einwanderungsland, auch innerhalb der EU, und müsse die Voraussetzungen dafür schaffen, wenn die Einwanderer dann tatsächlich kommen.

Für die Kirche sind die Roma „Armutsflüchtlinge“. Die 500 Roma stammen aus einem einzigen Dorf in der Nähe von Bukarest und gehören zu einer freikirchlichen Pfingstgemeinde. Zusammen mit ihrem Pfarrer sind sie in Etappen nach Berlin gezogen, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Auf dem Arbeitsmarkt haben sie wenige Chancen. Viele besorgen sich einen Gewerbeschein und haben damit eine dauerhafte Aufenthaltsberechtigung und die Möglichkeit, Sozialleistungen zu beantragen.

Für die Jugendlichen, die nicht mehr zur Schule gehen, will der Bezirk Beschäftigungsprojekte schaffen. Neukölln habe bislang die meisten Roma aufgenommen, sagt Bildungsstadträtin Franziska Giffey (SPD). 700 rumänische Kinder würden in den Schulen des Bezirks unterrichtet – Tendenz steigend. Unklar ist, wie viele Kinder gar nicht zur Schule gehen, weil sie von ihren Eltern zum Betteln oder Arbeiten angehalten werden.

Für die Roma aus der Harzer Straße aber sei das Betteln aus religiösen Gründen tabu, ebenso das Rauchen, Stehlen und Trinken, erklären die Familienväter dem Erzbischof. Giffey bestätigt, das Roma-Dorf sei als außergewöhnlicher „Sonderfall“ zu betrachten.

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