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Berlin: Mit Feuer und Flamme

Nirgendwo kuschelt es sich besser als in einer Kaminbar. Aber auch alleine lohnt sich der Besuch

Um es mit Rilke zu sagen: Herr, es ist Zeit. Für den Herbst. Endlich wieder Wollpullis tragen und ohne schlechtes Gewissen drinnen sitzen. Im Warmen. Am Feuer. Vor dem Kamin.

Schön wär’s, denkt man sich, die Füße auf der Gasetagenheizung. Aber Berlin denkt an alles. Und bringt uns die Bar mit Feuerplatz. Ein kleiner Streifzug auf der Suche nach einem Platz vorm Kamin.

Als Erstes ins „Kirk“. Seit gut einem Jahr gibt es diese Bar nahe dem Schlesischen Tor. Etwas abseits von der Kneipenstraße, ein Geheimtipp. Hohe Decken mit Stuck, ockerfarbene Wände mit Jugendstilornamenten. Und an der Ecke, offen, ein Kamin. Holzscheit und Flamme passen perfekt. Die Farben, das Licht, die Musik und der Wein, alles ist warm hier. Kirk Kirchberger, Namensgeber und Besitzer, wollte das, „Nestwärme“, eine Bar, klassisch, nostalgisch, mit kratzender Plattenmusik und einem Barmann, der auch so aussieht, als ob er Cocktails mischen kann. An den Kamin habe er anfangs gar nicht gedacht, bis ein Freund ihn beim Renovieren auf den Schacht aufmerksam machte. Die beste Idee überhaupt. 150 Euro Holzkosten pro Monat und immer ein volles Haus. Denn sobald es dunkel ist, kommen sie. Die Pärchen, die Geschäfts- und die Projektmenschen, der Hopper-Einzelgänger an der Bar. Das Prasseln im Rücken oder direkt am Feuer. Sie wärmen sich die Seele. Es gibt ein russisches Sprichwort, sagt Kirchberger. Das zählt Dinge auf, die beruhigen: der Blick auf das Meer, ins Feuer und auf Menschen, die arbeiten. Bis auf das Meer hat man hier alles.

Ursprünglich war er zum Heizen da. Caminus, lateinisch Ofen, sollte das Haus erwärmen, offen oder geschlossen. Und die Kemenate, in dem er stand, war der einzig wirklich warme Raum im sonst unbeheizten Haus. Heute ist ein Kamin reiner Luxus, wenn auch ein erschwinglicher, zu finden selbst auf der Safariranch bei 40 Grad im Schatten. Auf dem Sims Platz für repräsentativen Nippes. Und davor die totale Entspannung. Denn vor dem Kamin ist nach dem Stress. Das Bild ist immer ähnlich. Im Film: als Rückenansicht, ein Arm über der Sessellehne hängend mit einem Glas Whiskey in der Hand und ausgestreckten Füßen. Oder in der Politik: das Kaminzimmer mit den Kamingesprächen, psst, das bleibt jetzt aber unter uns.

Ja, ja, die Kuschelecke, sagt der Barmann, im Restaurant „Puntila und Matti“ in der Oderberger Straße. Erst sieht man den Kamin gar nicht, nur Speisen auf dem Tisch, aber dann ein Blick um die Ecke. Vor zwei Jahren haben sie ihn hier extra eingebaut, die Steinmaske ist aus dem 18. Jahrhundert. Davor ein eingelassener Platz mit zwei winzigen Tischen. Und Gäste mit roten Gesichtern. Zum Essen ist es vielleicht ein bisschen zu warm.

Ein paar Straßen weiter, die June-Bar. Gemütlichkeit ist eigentlich ein deutsches Wort, aber Miguel Leston, Besitzer, Spanier, hat es geschafft. Statt in Sperrmüllromantik zu verfallen, beließ er seine Bar im simplen Weiß, mit Lederwürfel-Hockern und spiegelglatter Bar. Und stellte in die Mitte den Kamin. Aus grünem Marmor, das Kaminbesteck davor, die Holzscheite daneben säuberlich geschichtet an der Wand, wie aus dem Kunstkatalog. Auch seine Kamintheorie ist so rein wie überzeugend: das Feuer sei schon seit der Urzeit der Treffpunkt der Menschen. Es biete Wärme und Schutz. Und genau das sei noch heute gut für gestresste Großstadtmenschen. Medien- und Marketingleute, sagt Miguel Leston, die den ganzen Tag Quatsch reden müssen, und jetzt können sie endlich mal schweigen und ins Feuer gucken. Recht so. Keine weiteren Fragen.

Lieber hinsetzen, auf der Getränkekarte zwischen Absinth-, Champagner-, Wodka-, Whiskey-, Tequila-, und Rumcocktail schwanken und dann doch einen Rotwein trinken. Langsam. Denn so sind die Kaminabende.

Ach ja, bloß vorher sollte man sich ein bisschen beeilen. Die besten Plätze sind immer gleich weg.

Johanna Lühr

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