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Berlin: Mit geballter Faust gegen die Berliner Genossen

Auf dem PDS-Parteitag in Gera wurden Vertreter der rot-roten Koalition gescholten/SPD-Chef Strieder vertraut auf gute Zusammenarbeit

Von Sabine Beikler, Gera

Blankes Entsetzen, Fassungslosigkeit und Ungläubigkeit waren in den Gesichtern der Berliner PDS-Delegierten am Wochenende auf dem Bundesparteitag in Gera zu sehen: Die geballte Faust der Genossen traf die Landesverbände, die rot-rote Koalitionen eingegangen sind. Vor allem die Berliner standen in der Kritik. Die Vorhaltungen gingen allerdings nicht soweit, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern die Hauptverantwortung für das Wahldesaster zuzuschieben.

Doch der Kurs, auf den die Partei nach diesem Wochenende zusteuert, hat eine eindeutige Richtung: Die Reformer der Partei wurden in die Ecke gedrängt, darunter auch der Berliner Landesverband. Berlin scheiterte mit einem Initiativpapier gegen den Antrag von Gabi Zimmer. Lieber gestalten in der Opposition als die Partei zu einer „sozialen Reformpartei“ zu transformieren heißt der künftige Kurs der PDS. Und damit befindet sich Berlin neben drei anderen PDS-Landesverbänden in der Minderheit.

Gescholten wurden die Sozialisten aus Berlin wegen des rot-roten Sparkurses. Parteichefin Gabi Zimmer wetterte in ihrer Rede: „Mit Recht können unsere Wähler erwarten, dass die PDS nicht in einen Wettbewerb um das bessere Sparen tritt.“ Wer sich von der SPD „hertreiben lasse“, sagte Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform, wer sich einen Sparkurs wie die Berliner PDS aufdrängen lasse, laufe Gefahr, dass die sozialistischen Inhalte nicht mehr sichtbar sind. Wagenknecht und andere sehen vor allem die von der PDS mitgetragene Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft in Höhe von 21,6 Milliarden Euro als falsch oder fordern, diese Entscheidung zu überdenken.

Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf sagte dazu sarkastisch, dass „Sachkunde manchmal hilfreich in politischen Auseinandersetzungen ist“. Er habe keine großen Erwartungen an den Parteitag gehegt, weil schon auf Bundesebene keine strukturierte Diskussion gelaufen sei. Wolf bezeichnete es als „klassisches Muster“, dass Berlin die Rolle des „Sündenbocks“ eingenommen habe.

„Eine klare Mehrheit im Landesverband steht für die rot-rote Koalition“, sagte Wolf. Landes- und Fraktionschef Stefan Liebich unterstrich den Kurs der Berliner PDS. Man müsse jetzt akzeptieren, dass man in der Minderheit sei. Leichter werde es für die Berliner PDS sicher nicht, wenn zusätzlich der Druck von der Bundesspitze auf ihr laste. „Wir werden uns in unseren Gremien über den Berliner Kurs die Rückversicherung holen“, sagte Liebich. Am Verhältnis zur SPD wird sich nach Auffassung der Berliner PDS-Parteispitze nichts ändern. Dass die Sozialdemokraten den Druck auf die PDS erhöhen werden, glaubt niemand. Die Kritik vieler Delegierten an der rot-roten Politikgestaltung lässt PDS-Landeschef Liebich teils gelten. „Wir müssen unser Profil stärker entwickeln.“ Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner gibt zu, das es die PDS bisher nicht geschafft habe, Betroffene in Entscheidungsprozesse miteinzubinden. „Wir müssen unsere Arbeitsfelder mit mehr Substanz ausfüllen.“ Harald Wolf sieht beispielsweise konkrete Projekte bei der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission.

Gleichwohl ist dem Berliner SPD-Chef Peter Strieder nicht bange, dass die Zusammenarbeit im Senat nun schwieriger werden könnte. „Es ist nunmal so, dass man nicht durch Forderungen, sondern durch Handeln überzeugt. Die Berliner PDS gestaltet hier, das wird wahrgenommen.“ Von der Bundes-PDS werde man bald nichts mehr sehen.

Berlins Kultursenator Thomas Flierl entwickelte in Gera Galgenhumor. „Wenn die Partei diesen Kurs weitergeht, verabschiedet sie sich von der Gesellschaft. Zum Abschluss des Parteitages gaben die Delegierten den Berliner Genossen eine Resolution für Egon Krenz mit auf den Heimweg: Sie sollen sich im Senat für ein Gnadengesuch einsetzten. Der letzte SED-.Staatschef der DDR müsse vorzeitig aus der Haft entlassen werden.

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