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Berlin: Mit Gefühl und Härte gegen Serientäter

Jugendhelfer und Strafverfolger im Dauerstreit

Gefühl und Härte: Beides braucht, wer jugendliche Serientäter von der Fortsetzung krimineller Karrieren abhalten will. So lässt sich der – mühsam hergestellte – Konsens einer Tagung zusammenfassen, bei der am Dienstagabend so gegensätzliche Kenner der Szene wie Oberstaatsanwalt Roman Reusch und Renee Abul-Ella vom arabischen Frauenverein Al-Dar zusammenkamen.

Reusch leitet die Abteilung 47 der Berliner Staatsanwaltschaft und ist bekannt für unmissverständliche Ansagen in Richtung der Täter – und in Richtung jener, die jugendliche Kriminelle vor allem für Opfer der Gesellschaft halten. Er provozierte die Mehrzahl der siebzig oder achtzig Jugend- und Bewährungshelfer mit der These, er sei als Strafverfolger der eigentliche Opfer-Anwalt.

Renee Abul-Ella hat offenbar Zugänge wie kaum jemand anderes zu arabischen Familien. Und sie kann – so beschrieb sie ihre Arbeit – altersbedingt, auf intensive Weise und mit der entsprechenden Stimmlage Respekt von so ziemlich allen Männern in arabischen Familien einfordern. So kann sie verlangen, dass die auf problematische junge Männer einwirken. Aber sie sieht auch stets die Gesellschaft in der Pflicht.

Die Wahrheit liegt – das legen Untersuchungen des Kriminologen Claudius Ohder nahe – eher in der Mitte. Ohder hat Täterakten der Abteilung 47 ausgewertet. „Intensivtäter“ sind, das hat er herausgefunden, am gefährlichsten im Alter zwischen 14 und 16 – und zwar für Jugendliche ihrer Altersgruppe, allerdings auch für wehrlose Rentner. Dann reicht ihre kriminelle Energie für vieles, vom Raub bis zur schweren Körperverletzung. 70 Prozent der Täter kämen aus Migrantenfamilien, so Ohder. Die meisten stammten aus Ex- Jugoslawien oder aus dem Nahen Osten: aus dem Libanon oder Palästina.

Das sagt für Ohder einiges über die Probleme, mit denen diese Flüchtlingsfamilien zu tun haben. Sie zeigen sich zum Beispiel daran, dass die Hälfte der Väter „dauerhaft nicht erwerbstätig“ sei und dass die Jugendlichen schon in der Grundschule Schwierigkeiten hätten. Kriminelle Neigungen zeigten sich in der frühen Jugend und verschärften sich. Dann – das hat Ohder aus einer Reihe von Gesprächen erfahren – stehen sie mehrfach vor Gericht und kommen mit Verwarnungen davon, bis ein Richter eine Jugendstrafe von zwei Jahren verhängt.

Mehr Therapie, noch umfangreichere Angebote forderten am Dienstag die Jugendhelfer. Oberstaatsanwalt Reusch plädierte für eine bessere Zusammenarbeit, für konsequente Strafverfolgung und für die Einrichtung geschlossener Heime. Er wusste wohl, dass seine Thesen nicht mehrheitsfähig waren. wvb.

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