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Berlin: Mit gespaltener Zunge

Ausländer sollen Deutsch lernen, fordert die Politik. Doch Berlins Volkshochschulen müssen Sprachkurse streichen, weil das Geld fehlt

Immer mehr Ausländer in Berlin wollen Deutsch lernen. Aber es gibt zu wenig Kurse. Für eine Ausweitung des Angebotes fehlt das Geld. Weil die finanzielle Verantwortung von einer Bundesbehörde auf eine andere übergegangen ist, fehlen ab diesem Quartal sogar die Finanzmittel für das bestehende Angebot an den Berliner Volkshochschulen (VHS). Im vergangenen Jahr haben die VHS rund 7800 Kurse angeboten, in denen über 30000 Menschen Deutsch gelernt haben.

„Jedes Quartal müssen wir Hunderte Ausländer abweisen“, sagt Michael Weiß, der in der Volkshochschule Mitte Deutsch als Fremdsprache organisiert. Die öffentliche Diskussion um die mangelnden Deutschkenntnisse sei bei den ausländischen Familien angekommen, seit fünf, sechs Jahren steige die Nachfrage nach Deutsch kontinuierlich. 110 der 320 Kurse an der VHS Mitte finanziert das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (BAFL) in Nürnberg. Die Behörde hat ab diesem Quartal in Mitte nur noch 50 Kurse genehmigt, Neukölln bekommt nur noch Geld für 40 Kurse anstatt wie im ersten Quartal für 80. Auch in Lichtenberg ist nur noch Geld für die Hälfte der Kurse da.

Die Nachricht kam am 24. April, am 5. Mai haben die neuen Kurse begonnen. In Neukölln sind vor allem Fortgeschrittenen-Kurse von den Kürzungen betroffen. „Leute, die im Januar mit dem Deutschlernen angefangen haben, kann ich doch jetzt nicht einfach wegschicken“, sagt Bongart. Deshalb hat er Eigenmittel vorgezogen, die für den Herbst eingeplant sind. „Wenn kein Nachschlag kommt, sieht es im Herbst dramatisch aus.“

Schuld an der Finanzmisere sei das schlechte Management des Bundesamtes, sagen die Volkshochschulen. Erst seit Anfang Februar ist das BAFL für die bundesweite Finanzierung der Sprachkurse zuständig. Zuvor war das jahrzehntelang die Aufgabe einer anderen Bundesbehörde, des Sprachverbandes. Der Sprachverband hat jährlich rund 9000 Deutschkurse im ganzen Bundesgebiet finanziert, mit 500 Bildungseinrichtungen zusammengearbeitet, die größte Gruppe darunter waren die Volkshochschulen.

Mit der geplanten Einführung eines neuen Zuwanderungsgesetzes wurden die Zuständigkeiten neu verteilt. Die Kompetenz und die Erfahrung seien dabei auf der Strecke geblieben, sagt Bongart. Die Volkshochschulen wie auch der Berliner Schulsenator vermuten, dass das Bundesamt im ersten Quartal alle eingereichten Anträge ungeprüft genehmigt hat, ohne für das ganze Jahr zu planen.

Das Bundesamt weist die Vorwürfe zurück. Von den insgesamt 22,8 Millionen Euro, die man für 2003 zur Verfügung habe, seien noch 10,3 Millionen für das zweite, dritte und vierte Quartal übrig. „Das ist doch ganz natürlich, dass zum Ende des Jahres hin weniger Geld da sein wird“, sagt BAFL-Sprecher Roland Dorfner. 5000 Kurse würden noch zur Beurteilung anstehen, bis Mitte Juli soll die Planung für das zweite Halbjahr abgeschlossen sein. Ob es für die Berliner Volkshochschulen einen Nachschlag gibt, weiß er nicht.

Eines ist jedenfalls jetzt schon klar: Die Bezirke und die Schulverwaltung können die entstandene Finanzlücke nicht ausgleichen. „Vollkommen unmöglich“, sagt Thomas John, der Sprecher des Schulsenators. Allein in Neukölln fehlen 91000 Euro. Die übliche Kursgebühr von 50 Cent die Stunde zu erhöhen, hält Bongart für kontraproduktiv. „Dann kommen die Leute nicht mehr.“ Ein 80-Stunden-Anfänger-Kurs kostet in der Regel 43 Euro. Um einigermaßen flüssig Deutsch zu sprechen und zu schreiben, veranschlagen die Deutschlehrer 1000 Deutschstunden.

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