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Berlin: Mit grauen Haaren noch auf Verbrecherjagd

Innensenator Körting will ein Privileg abschaffen. Pro & Contra: Sollen Polizisten und Feuerwehrleute länger als bis 60 arbeiten?

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) will ein fast 80 Jahre altes Privileg der Polizei und der Feuerwehr kippen: Das Pensionierungsalter von 60 Jahren. Die betroffenen Beamten, vor allem Polizisten des höheren Dienstes, sprechen von einem Vertrauensmissbrauch. Körting plant eine Staffelung der Pensionierungsgrenze. Danach sollen die Dienstgrade Polizeimeister bis Hauptkommissar künftig erst mit 61 beziehungsweise 62 Jahren pensioniert werden. Beamte aller anderen Dienstgrade müssen bis zum 65. Lebensjahr arbeiten.

Schon 1927 wurde mit Schaffung des Polizeibeamtengesetzes verfügt, dass Polizeibeamte mit Vollendung des 60. Lebensjahres in den Ruhestand gehen, mit Ausnahme der Polizeioffiziere, die mussten länger dienen. Allerdings hatten Polizeioffiziere damals – nach den heutigen Dienstgraden wären dies Kommissare, Polizeiräte und darüber – ein anderes Privileg: Sie durften nach einer mindestens zehnjährigen Dienstzeit einen Antrag auf Frühpensionierung stellen. Als Gründe für den vorzeitigen Ruhestand wurden akzeptiert: Dienstunfähigkeit oder wenn der Beamte „die für seine dienstliche Verwendung nötigen Fähigkeiten zu richtigem Verhalten und Wirken als Polizeibeamter, insbesondere die für den Polizeidienst erforderliche geistige und körperliche Frische, sowie die Kraft zu schnellem Entschluss und energischem Handeln nicht besitzt“, heißt es im Gesetz von damals.

Heute gilt das Kriterium der Polizeitauglichkeit für alle Polizisten, auch für diejenigen, die vorwiegend Schreibtischarbeit verrichten. Da kann es passieren, dass ein Beamter wegen eines nicht therapierbaren Schadens am Daumen in den Ruhestand geschickt wird. Der Daumen hindere ihn zum Beispiel am korrekten und sicheren Gebrauch der Dienstwaffe, argumentierten die Mediziner vor zehn Jahren. Sie rückten auch nicht von ihrem Urteil ab, als dieser Beamte von Kollegen wenig später beim Tennis-Intensivtraining in der Türkei beobachtet wurde. Der kaputte Daumen hinderte ihn nicht, den Schläger zu halten. Der Beamte war zu diesem Zeitpunkt 36 Jahre alt und Angehöriger einer Spezialeinheit. Im vergangenen Jahr gingen bei der Berliner Polizei 445 Polizisten in den Ruhestand. Davon 344 regulär mit 60 Jahren, 101 quittierten aus Gesundheitsgründen vorzeitig den Dienst.

Was den Gesetzgeber 1927 veranlasste, Polizisten mit 60 Jahren in den Ruhestand zu schicken, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Heute argumentiert die Polizei, der Dienst der Beamten stelle besonders harte physische und psychische Anforderungen. Der jahrelange Schichtdienst wirke sich auf die Gesundheit aus. Bei den täglichen Einsätzen wisse der Beamte nicht, was auf ihn zukomme; dies erzeuge zusätzlichen Stress. Der Anblick entstellter Unfallopfer, die Bergung von Selbstmördern, die Benachrichtigung von Angehörigen – all dies zehre an den Beamten, wodurch sie früher „verbraucht“ seien als Angehöriger anderer Berufe.

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