zum Hauptinhalt

Berlin: Mit großer Wirkung Computernetze steuern immer häufiger die Stadt:

Pannen legen schnell das öffentliche Leben lahm

Berlin - Ein winziger Chip fällt aus, ein hauchdünnes Kabel reißt, ein einziger Tippfehler. Und alles geht drunter und drüber. Vergangene Woche schmolz ein Computerchip bei der BVG: Die Signale fielen aus und Zehntausende Berliner steckten in der U-Bahn fest. Und wegen eines technisches Problems konnten Bankkunden zum Jahresbeginn kein Geld abheben. Die Software der EC-Karten konnte die Datumsangabe 2010 nicht verarbeiten. Im vergangenen Jahr fielen außerdem das Handynetz von T-Mobile und die Computer in Bürgerämtern und Bibliotheken aus.

Unsere Welt wird von Computern gesteuert. Die virtuellen Systeme sind so fein abgestimmt, dass winzige Pannen große Auswirkungen haben kann. In Städten wie Berlin regelt die Technik Tausende Ampeln automatisch, fallen die wie im September 2008 auch nur an einigen Kreuzungen aus, staut sich der Verkehr in der ganzen Stadt.

Einen regt das alles nicht auf. Lutz Prechelt, Professor an der Freien Universität, ist Informatiker und Netzwerkexperte. Diese Pannen seien fast unvermeidbar. Alle wollten im Alltag eine hohe Effizienz – und die gäbe es durch Zentralisierung. Dadurch aber würden die Ausfallrisiken der Subsysteme gebündelt. Wenn dann etwas nicht klappt, hat das große Ganze ein Problem. „Mehr Sicherheit bedeutet entweder, dass vieles langsamer oder vieles teurer wird“, sagt Prechelt.

Als im Januar 2009 bei Wartungsarbeiten im Rechenzentrum der Bahn in Mahlsdorf einige Computer ausfielen, streikten Fahrkartenautomaten und Hinweistafeln im ganzen Land. Experten sprachen von „Versäumnissen“, weil das Bahnunternehmen so leicht lahmzulegen war. Prechelt findet, dass die Bahn viel leiste. Ein komplexes Zug-, Schienen- und Anzeigensystem am Laufen zu halten, sei schwierig. Dennoch: „Gut ist, wenn eine sofort funktionierende Parallelstruktur da ist.“

Wie beim Stromversorger Vattenfall. Dessen 80 Berliner Umspannwerke werden von einer zentralen Netzleitstelle in der Nähe des Potsdamer Platzes computergesteuert. „Doch wir haben eine parallele Leitstelle woanders, die sofort übernehmen kann“, sagt ein Vattenfall-Sprecher. Dauerstromausfall in der ganzen Stadt sei ohnehin unwahrscheinlich, da die 36 000 Kilometer Versorgungskabel in Berlin so vernetzt seien, dass der Strom fast überall hin über einen alternativen Weg fließen könne. Auch Angriffe von Hackern dürften schwierig sein. Wie bei den Computern, mit denen das BVG-Netz betrieben wird, sind zentrale Vattenfall-Rechner nicht ans Internet angeschlossen – damit sollen virtuelle Angriffe von außen verhindert werden.

Auch wenn etwa die Deutsche Bahn mitteilt, man gebe keine Auskunft über Sicherheitsvorkehrungen, heißt es, dass es für den Fall von Sabotageakten enge Absprachen mit den Sicherheitsbehörden gebe. Eine Sprecherin von Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sprach von bestehenden „Regelungen, wer was zu tun hat“. Kenner berichten außerdem von Notfallübungen und SMS-Ketten zwischen Netzwerkbetreuern. Behörden benutzen in „sensiblen Bereichen“ außerdem verschiedene Telefonnetze.

Petra Reetz, die Sprecherin der BVG, sagte nach der U-Bahn-Panne vergangene Woche: „Versagt die Technik, ist es am besten, ganz klassisch vorzugehen.“ Nur vier Männer in der Zentrale hätten jeweils dutzende Züge mit Funksprüchen durch die Tunnel gelotst. Und es hat geklappt. „So ganz von Mensch zu Mensch.“Hannes Heine

Zur Startseite