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Der Macher. Philip Murphy ist Botschafter der USA – und wirbt für gesellschaftliches Engagement. Und das von ganzem Herzen. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Mit Leidenschaft die Welt verändern: Ein Botschafter mit Enthusiasmus

US-Botschafter Philip Murphy wirbt ganz im Sinne seines Präsidenten für Integration und Einsatz. Und das tut er aus vollem Herzen.

Einer der anstrengenderen Tage im Leben des amerikanischen Botschafters Phil Murphy war der, an dem er zusammen mit Frau Tammy und einigen Nonnen für „Habitat for Humanity“ in New Jersey Zimmerwände gestrichen hat, um Bedürftigen zu helfen. Im Nachhinein war es aber auch einer der Tage, die ihn mit besonders tiefer Zufriedenheit erfüllen. Die Bank, für die er damals in der New Yorker Wall Street arbeitete, hatte einen Tag im Jahr für einen ehrenamtlichen Einsatz ihrer Mitarbeiter reserviert. Murphy ist fest überzeugt: „Es ist gut, wenn man so was macht. Es hilft dem Unternehmen. Und es macht einen stolz, dabei gewesen zu sein.“ Und natürlich helfe es auch den Bedürftigen.

Er sammelte Geld für Obamas Wahlkampf - Dollar für Dollar

Murphy ist bekannt dafür, dass er es versteht, viel Geld aufzutreiben für Zwecke, die ihm wichtig sind. Im vergangenen Wahlkampf war er Finanzchef der Demokraten und hat als solcher das Internet „als großen Demokratisierer der Mittelbeschaffung“ entdeckt, nach dem Motto, auch kleinste Beiträge helfen, wenn es nur viele sind, wenn also große Menschenmassen in die Geldbeschaffung miteinbezogen werden können. Wie viel Geld er auf diese Weise für den Obama-Wahlkampf gesammelt hat, weiß er selber nicht oder mag es nicht sagen: „Man ist ja immer auch Teil einer großen Organisation.“

Diese Art des Sammelns werde aber auch mehr und mehr bei wohltätigen Zwecken funktionieren, glaubt er. Aber eines darf aus seiner Sicht niemals fehlen: Man müsse ganz und gar von einer Sache überzeugt sein und richtig brennen dafür, nur dann sei man wirklich glaubwürdig und reiße andere mit, sich zu engagieren. „Ohne Leidenschaft funktioniert es nicht“.

Über sein soziales Engagement entdeckte der heutige Präsident die Politik

Diese Leidenschaft kann freilich weit führen. Lange bevor es ans Spendensammeln ging, beschrieb Barack Obama in seiner Autobiografie, wie er vor der Wahl stand, seine Karriere bei einer Unternehmensberatung in Manhattan fortzusetzen und viel Geld zu verdienen, oder sich mit gemeinnütziger Arbeit in Chicago zu engagieren. Ein alter Security Guard riet ihm, sich auf jeden Fall für die Karriere und ein gutes Einkommen zu entscheiden. Obama wäre wohl nie US-Präsident geworden, wenn er damals nicht gegen den Ratschlag des alten Mannes dem gemeinnützigen Engagement den Vorzug gegeben hätte und aufgrund seines großen Interesses an sozialen Fragen in der Politik gelandet wäre. Das ist selbst für amerikanische Verhältnisse eine sehr ungewöhnliche Geschichte.

Warum ehrenamtliches Engagement in den USA so viel mehr Bedeutung hat als in Deutschland, darüber kann der Botschafter nur Vermutungen anstellen. „Es ist einfach da, tief verwurzelt in der Gesellschaft, in der nationalen Psyche. Wir könnten das glatt exportieren.“ Vielleicht habe es mit den Pionieren zu tun, die auf sich selbst gestellt waren und zurechtkommen mussten, vielleicht auch mit der Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit der Ureinwohner. In dem Zusammenhang zitiert er gern eine Fulbright-Studentin, die gesagt hat, dass Amerikaner unbedingt überall helfen wollen, natürlich auch manchmal falsch liegen, aber auf keinen Fall tatenlos zusehen wollen.

Er möchte bewegen - und zurückgeben

Das habe auch damit zu tun, „dass man die eigene Gesellschaft besitzen will“, glaubt der Botschafter. Indem man hilft, sie zu verbessern, leistet man einen Beitrag, gerät von einer passiven in eine aktive Rolle. Man arbeitet mit vielen anderen daran, dass sich Dinge zum Besseren wenden: Wenn ich meine Zeit oder mein Geld für etwas gebe, bewege ich etwas. Gleichzeitig möchte man etwas von dem zurückgeben, was man empfangen hat, dieser Gedanke spielt in der amerikanischen Gesellschaft eine große Rolle.

Ehrenamtliches Engagement sei zudem eine einfache und unkomplizierte Art, die Gesellschaft stärker zu machen. Das ist für Murphy ein ganz besonders wichtiger Aspekt. Deshalb wirbt er dafür in seinen Townhall-Meetings und Reden, besonders auch bei jungen Leuten, bei denen sein Enthusiasmus gut ankommt.

Schließlich sei Deutschland einer der wichtigsten Verbündeten der USA, und es sei wichtig, starke Freunde zu haben. Freiwilliges Engagement müsse von Herzen kommen, und es unterscheidet sich von gemeinnütziger Arbeit, die auch von Profis gemacht werden kann – sowie von philantropischen Werken und Spenden, nach amerikanischer Diktion vornehmlich für die Kulturförderung bestimmt.

Amerikaner fangen früh an, sich zu engagieren, vielleicht nicht alle so früh wie Murphys Sohn Sam. Der war erst acht Jahre alt, als er damit begann, einmal in der Woche in einem Seniorenheim mit den alten Menschen Bingo zu spielen. Das war für alle Beteiligten eine durchweg positive Erfahrung: „Er liebt es, und sie lieben ihn.“ Seine Schwester Emma engagiert sich derweil für Umweltprojekte, und auch sie zeigt dabei die Leidenschaft, die dem Botschafter so wichtig ist.

Murphy, Spross einer irischstämmigen Familie in Boston, erzählt, wie sich sein tief religiöser Vater viele Gedanken darüber gemacht hat, was die Zivilgesellschaft im Innern zusammenhält, er war ein philosophischer Typ. Das hat ihn selber sensibilisiert für soziale Themen. Er ist stolz darauf, dass seine Schwester als Sozialarbeiterin tätig ist: „Das ist ein hoch angesehener Beruf bei uns.“

Dicht dran. Der Botschafter half einst Barack Obama im Wahlkampf; hier hilft der Präsident in einer Schule in Yeadon. Foto: Reuters
Dicht dran. Der Botschafter half einst Barack Obama im Wahlkampf; hier hilft der Präsident in einer Schule in Yeadon. Foto: Reuters

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Murphy ermöglicht Migranten einen sozialen Einsatz in den USA

Ihn treiben auch die Versäumnisse an, die er in seinem Leben sieht. „Ich habe in meiner Jugend nie ein Austauschprogramm mitgemacht“, sagt er. Heute glüht er für die Idee und ist stolz darauf, dass mithilfe der Botschaft Berliner Schüler in den USA an gemeinnützigen Projekten teilnehmen können. Zielgruppe sind vor allem Migrantenkinder aus schwierigen Stadtteilen. „Wenn sie zurückkommen, dann verbreiten sie den Gedanken hier und engagieren sich weiter.“

Integration ist ein Thema, das er häufig aufbringt. Wenn er Spannungen sieht innerhalb der Gesellschaft, führt er die darauf zurück, dass die Menschen nach ihrem Äußeren beurteilt werden und nicht nach ihrem Inneren. Für gegenseitigen Respekt zu werben, dafür, Menschen wirklich kennenzulernen, ist seine ganz persönliche Mission, man spürt förmlich, wie er glüht dafür. Es hält ihn kaum auf dem Stuhl, wenn er darüber spricht.

Bei der Kunstförderung können beide Länder voneinander lernen

Freilich glaubt er umgekehrt, dass auch die USA von Deutschland lernen können, nicht nur bei der Kurzarbeit, die er hier als gutes Instrument gegen die Arbeitslosigkeit entdeckt hat. Auch was Kultur- und Kunstförderung betrifft, könne sein Land lernen. In Deutschland sei das Prinzip noch verbreitet, dass sich der Staat um alles kümmert, um Kultur wie um Soziales, das ändere sich erst langsam. Dort hingegen ist die Ansicht verbreitet, dass sich Mäzene um die Kunst kümmern müssen. Das Thema, ob man lieber via Steuern Gutes tut und die Entscheidung, wie das Geld verwendet wird, anderen überlässt, oder ob man es selbst in die Hand nimmt, spiele in seinem Land eine große Rolle. Allein Berlin gebe fast fünfmal so viel für Kunst und Kultur aus, wie in den USA im nationalen Etat für diesen Bereich vorgesehen sind. In dieser Hinsicht sei Deutschland ein globales Rollenmodell. Berlin wäre freilich auch gut beraten, wenn es die Bürger noch stärker zu philantropischen Werken ermutigte. Schließlich gebe es individuellen Reichtum in der Stadt, und Deutschland insgesamt sei ein reiches Land.

Viele Unis schauen bei den Lebensläufen ihrer Bewerber nach, was sie sonst noch so im Leben gemacht haben. Das ist in den USA so, das verbreitet sich aber auch in Deutschland mehr und mehr. Murphy allerdings rät allen Schülern, sich nicht nur zu engagieren, um mit dem Lebenslauf zu punkten. Ob echte Leidenschaft dahintersteckt, merke man innerhalb von einer Minute. „Schließlich“, argumentiert er, „wird man ja auch belohnt für gute Taten.“ Zwar wisse er nicht, ob sich die Familie wohlfühlt, die heute in dem Haus lebt, das er einst renovieren half. „Aber ich selber habe mich dabei definitiv gut gefühlt.“

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