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Platz da, gleich kommt der Chef. Noch sitzt der Kollege im Häuschen, bald nimmt hier Herr Rockert Platz. Foto: Davids

© DAVIDS

Berlin: Mit Scheibenwischer

Der Riesenkran steht nun an der Baustelle für die U 5 am Kupfergraben. Und was kann der so? Ein Blick in die Kabine.

Das dicke Ding ist in etwa 30 Portionen nach Berlin gekommen, und es stand nach einer Woche. Nun ragt es südlich des Fernsehturms in den Himmel, längst nicht so hoch, aber doch mit der Autorität eines bedeutenden Bauwerks. Der Name ist technisch – Liebherr Raupenkran LR 1600/2 –, die Farbe feuerwehrrot, das Gewicht immens: Mehr als 700 Tonnen drücken auf den historischen, zur Zeit etwas schlammigen Boden am Kupfergraben in Mitte. Ohne Last.

Dieses Gewicht hilft sehr bei der einzigen Aufgabe, die der Kran der Nacht zum kommenden Dienstag für die BVG zu erfüllen hat: Er soll die etwa 128 Tonnen schwere Tunnelbohrmaschine für den Bau der U 5 erst vom Schiff auf den Zwischenlagerplatz und dann von dort über das Wasser in die Grube lupfen. Dort bohrt sie dann maulwurfartig los und braucht den Kran erst wieder, wenn der Tunnel fertig ist und sie aus dem Berliner Untergrund befreit werden muss.

Der Mann, der das Monster steuert, gibt sich gelassen. „Das ist so gut vorbereitet, da kann nichts schiefgehen“, sagt Gerhard Rockert, 61, Kranführer seit 28 Jahren und ständiger Reisebegleiter des LR 1600/2. Doch auf die Frage, wie es sich denn arbeite mit dem brandneuen Gerät, das erst einen einzigen Einsatz hinter sich hat, lässt er den Habitus des gestandenen Profis einen Moment fallen und sagt: „Megageil.“ Mit dezentem Mainzer Akzent – dort ist der Kran stationiert – erläutert er die Finessen der Maschine, die zur Lösung großer Lastprobleme ständig unterwegs ist. „Viele gibt es davon nicht“, sagt er, so was kauft sich keine Baufirma einfach so.

Wer tiefer in die Technik eindringt, der hat seltsame Begriffe zu lernen. Beispielsweise, dass es neben dem Ausleger, an dem die Last dann später hängt, auch einen „Derrickausleger“ gibt. Der zeigt schräg nach hinten, ist fast genau so groß und hat die Aufgabe, den Druck nach hinten aufzunehmen und auf die Ballastgewichte umzulenken, damit nicht alles in die Grube kippt. Eigentlich sind es also zwei miteinander verbundene Kräne, die auch noch beweglich sind: Der hintere steht auf zwölf nebeneinander angeordneten mannshohen Gummireifen, der vordere auf zwei gewaltigen Raupenketten.

Auf diesem Unterbau kann das ganze Ding, getrieben von einem mild brummenden Dieselmotor, ein paar Meter vor- und zurückfahren – dafür hat man ihm ein Fundament aus dicken Holzbohlen gelegt. Er könnte große Dinge mehr als 180 Meter in den Himmel heben, doch das ist in Berlin nicht nötig. Hier wird der Hauptausleger auf maximal 70 Meter Länge ausgefahren und lädt dabei etwa 40 Meter aus.

Die Kabine, in der Rockert dann in der Nacht die Sache fingert, liegt unscheinbar an der Seite. Voll verglast mit Scheibenwischern, ein wenig kippbar für besten Blick, vollgestopft mit Computertechnik und drei Monitoren für die Kontrollkameras. Gesteuert wird mit zwei knubbligen Joysticks, die der mächtigen Hydraulik auf elektronischem Weg Bescheid sagen, aber auch Rockert verlässt sich bei der Arbeit vor allem auf das, was ihm ein Kollege per Sprechfunk vom eigentlichen Ort des Geschehens zu sagen hat.

Am späten Montagabend geht es los, denn tagsüber ist das Manöver mit Rücksicht auf den Schiffsverkehr nicht möglich. Aus der Distanz lässt sich das gut beobachten, aber der Bauplatz selbst ist aus Sicherheitsgründen gesperrt. Außer für die Männer mit den Helmen, die das Monster an der kurzen Leine führen. Geht alles gut, kann es am Dienstagmorgen schon wieder in 30 Portionen zerlegt werden. Bernd Matthies

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