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Berlin: Mit schlechtem Beispiel voran

Schon wieder verunglückte ein Kind, das bei „Rot“ auf die Straße lief. Die Großen machen es so vor, klagt die Polizei

Der neunjährige Junge ging einfach los. Er wollte Höhe Ringslebenstraße über den Buckower Damm, eine viel befahrene Ausfallstraße in Neukölln. Er ging los, obwohl die Ampel auf „Rot“ stand. Und er wurde angefahren. Der 36 Jahre alte Autofahrer bremste scharf, konnte aber den Zusammenprall nicht verhindern. Das Kind wurde schwer verletzt, der Autofahrer erlitt einen Schock. Das war Sonntagabend, 19. 20 Uhr.

Es war nicht der erste Unfall in diesem Jahr, bei dem ein Kind fahrlässig gehandelt hat. Auch der 13-jährige Junge, der Ende Oktober in Lichtenberg von einem Auto angefahren worden war, hatte bei „Rot“ die Kreuzung überquert. Einen Tag später wurde ein 14-jähriges Mädchen beim Zusammenstoß mit einem Auto auf die mittlere Fahrbahn der Blaschkoallee (Neukölln) geschleudert: Es war unachtsam vom Mittelstreifen auf die Fahrbahn getreten.

„Wenn ein Kind in einen Unfall verwickelt wird, ist es in fast 70 Prozent der Fälle selbst daran schuld“, sagt Ulrich Dahlke, Verkehrssicherheitsberater der Polizei. Die Polizeistatistik, die den Zeitraum von Januar bis August dieses Jahres umfasst, besagt: Bei 47 Unfällen haben Kinder die rote Ampel missachtet.

Im Vergleich zum vergangenen Jahr gab es 2003 mehr Unfälle mit Kindern: 945 waren es allein zwischen Januar und August. Zwei Kinder starben dabei, 102 wurden schwer verletzt und 634 kamen mit leichten Verletzungen davon. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres gab es bei 859 Unfällen mit Kindern kein totes Kind, 117 wurden schwer und 624 leicht verletzt.

„Wir beobachten, dass vor allem das schlechte Vorbild der Erwachsenen zu Unfällen mit Kindern führt“, sagt Kristina Bergmann, Unfallauswerterin bei der Polizei. Kinder ahmen nach, wie ihre Eltern oder andere Erwachsene sich als Fußgänger im Straßenverkehr verhalten. Um an die Großen zu appellieren, plane die Senatsverkehrsverwaltung Plakate mit dem Titel „Nur bei Grün – den Kindern zu Liebe“ aufzustellen. Allerdings sei wegen der Haushaltssperre nicht klar, ob und wann die Plakate gedruckt werden. „Kinder haben eine andere Wahrnehmung als Erwachsene: Entfernungen und Geschwindigkeiten können sie nicht gut einschätzen“, sagt Kristina Bergmann. Deswegen dürften Erwachsene nie ihren Maßstab ansetzen und den Kindern raten, bei „Rot“ über die Straße zu gehen, wenn die Autos weit weg sind. Vielmehr sollten Kinder auch dann nach rechts und links gucken, wenn die Ampel „Grün“ zeigt.

In Berlin kümmern sich 74 Polizisten um die Verkehrserziehung an Schulen. In der Vorschule und den ersten beiden Klassen lernen die Kinder, wie man sich als Fußgänger im Verkehr verhält. In der 4. Klasse kommt die Radfahrausbildung hinzu. Der theoretische Unterricht ist Pflicht an den Schulen – inklusive der theoretischen Prüfung zu Verkehrsfragen. Freiwillig ist die praktische Radfahrprüfung an einer der 29 Jugendverkehrsschulen in Berlin. Hier bekommen die Schüler am Ende ihren Fahrradführerschein ausgehändigt. Geprüft werden sie von Verkehrssicherheitsberatern der Polizei. „Irrtümlich glauben viele Eltern, dass ihr Kind fit ist für den Verkehr, wenn es den Fahrradführerschein hat“, sagt Ulrich Dahlke. Tatsächlich lernten die Kinder aber erst „draußen, im richtigen Straßenverkehr“, wie man sich richtig verhält. Um „Gefahrenlehre“ ginge es beim Verkehrstraining, das die Polizei auch draußen – im ungeschützten Raum – anbietet. „Leider nehmen aber nur zehn Prozent der Klassen dieses Angebot wahr“, sagt Dahlke.

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