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Berlin: Mit Täter und Opfer an einem Tisch

Polizeioberkommissar Stefan Bonikoski kämpft im Jugendrechtshaus Neukölln gegen die Gewalt auf der Straße

Ahmed (Name geändert) ist 18 Jahre, arbeitsloser Schulabbrecher aus Neukölln und der Polizei bereits bekannt wegen verschiedener kleinerer Delikte – von Diebstahl bis zum Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Diesmal ist er nach einem Raub erwischt worden. Er hat einen Jungen übel zusammengeschlagen und ihm sein Handy geraubt. Nun flatterte ihm eine Vorladung zur Vernehmung bei der Polizei ins Haus. Was nun?, denkt Ahmed.

Er geht zur Sprechstunde von Stefan Bonikowski ins „Jugendrechtshaus“ im Neuköllner Kinder- und Jugendzentrum Lessinghöhe. Stefan Bonikowski, 42, ist Polizeioberkommissar und Präventionsbeauftragter der Direktion 5. Er hat damit hauptberuflich mit Leuten wie Ahmed zu tun. Das Jugendrechtshaus gibt es seit Ende der Sommerferien, gegründet als gemeinsame Initiative der Polizei, der Jugendförderung und des Bundesverbandes der Jugendrechtshäuser. Es ist neben dem Jugendzentrum „Chip“ in der Reichenberger Straße 44/45 in Kreuzberg die zweite dieser Einrichtungen in Berlin.

Das Jugendrechtshaus ist für Opfer und Täter gedacht. Für beide bietet eine Anwältin eine kostenlose Rechtsberatung an. Zudem gibt es eine „polizeiliche Beratung“: Bei jugendlichen Tätern wie Ahmed geht es darum zu vermitteln, was für Folgen ihre Taten eigentlich haben. „Wir wollen sie noch einmal an die Regeln erinnern, die ein friedliches Zusammenleben ausmachen“, erklärt der Polizeioberkommissar.

In Ahmeds Fall heißt das: Bonikowski setzt ihm auseinander, welche Strafe eine solch schwere Tat wie der Handyraub nach sich ziehen kann. „Wichtig ist, dass man einem Täter wie Ahmed klarmacht, dass die Krankenkasse des Opfers von ihm wahrscheinlich Schadenersatz verlangen wird.“ Das heißt: Sollte Ahmed eines Tages in Lohn und Brot stehen, wird er für die Verletzungen des Opfers zahlen müssen. „Das ist den meisten Straftätern nämlich gar nicht bewusst.“

Aber genauso kommen Opfer, wie der 15-jährige Thomas, ins Jugendrechtshaus. Thomas war einem monatelangen Leiden ausgesetzt. Immer auf dem Weg zur oder von der Schule ist er „abgezogen“ worden: Eine Gruppe von vier Tätern, zwischen 17 und 18 Jahre alt, hatte sich Thomas als Opfer ausgesucht. Sie bedrohten ihn und verlangten, dass er „mal Geld für das Pausenbrötchen rausrückt, mal Klamotten oder andere Kleinigkeiten“, erzählt Bonikowski. Thomas hatte vor der Gruppe eine solche Angst, dass er sogar die Schule schwänzte, nur um ihnen nicht zu begegnen. Und nachmittags ging er gar nicht mehr raus, sondern verkroch sich in seinem Zimmer. „Hierher zu kommen hat ihn richtig Mut gekostet. Aber er hat es sich eher getraut, als zur Polizeidienststelle zu gehen.“

Bonikowski überzeugte Thomas schließlich davon, eine Anzeige zu erstatten. Die Kollegen zeigten dem Jungen Bilder aus der Kartei, auf denen Thomas seine Drangsalierer wiedererkannte. Sie sind später einem Haftrichter vorgeführt worden, der einen „Haftbefehl mit Verschonung“ verhängt habe. Und Thomas konnte wieder angstfrei zur Schule gehen, weil den Tätern klargemacht wurde: Werdet ihr noch einmal auffällig, entscheidet der Richter bestimmt härter.

Zukünftig will das Jugendrechtshaus auch mit einem Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe zusammenarbeiten. Dieser Sozialarbeiter begleitet straffällige Jugendliche bis zur Gerichtsverhandlung und versucht, sie wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Denn nur gemeinschaftlich, wenn also die verschiedenen Behörden und Institutionen Hand in Hand arbeiteten, könne man die Probleme der Jugendlichen in sozialen Brennpunkten in den Griff bekommen, sagt Bonikowski.

Das Jugendrechtshaus in Neukölln befindet sich im Freizeitheim Lessinghöhe, Mittelweg 30, 12053 Berlin. In Kreuzberg ist das Jugendrechtshaus im Freizeitheim „Chip“ in der Reichenberger Straße 44/45 zu finden. Die „polizeiliche Sprechstunde“ findet donnerstags von 18 bis 20 Uhr statt. Die Rechtsberatung nach telefonischer Vereinbarung unter der Nummer 6873173.

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