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Berlin: Mit Trecker und Kopftuch gegen den Senat

Studenten, Bauern und Muslime demonstrierten in Mitte – große Behinderungen für Autofahrer und BVG-Nutzer

Viel Geduld mussten die Autofahrer gestern in Mitte aufbringen: Gleich drei Demonstrationen zogen durch das Zentrum – Bauern und Studenten gingen gegen die Sparpolitik des Senats auf die Straße, und Muslime protestierten gegen ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Mit mehr als 100 Treckern demonstrierten Bauern aus dem Berliner Umland gemeinsam mit Studenten und Mitarbeitern gegen die geplante Schließung der LandwirtschaftlichGärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität. Trecker und Studenten zogen vom Brandenburger Tor über Entlastungsstraße, Leipziger Straße, Glinkastraße und Unter den Linden zum Alexanderplatz.

Auf einer Sternfahrt waren die landwirtschaftlichen Fahrzeuge am Vormittag zum Brandenburger Tor gerollt. Auf den fünf Routen kam es ebenfalls zu erheblichen Behinderungen. Obwohl im Verkehrsfunk immer wieder auf die Gefahr von Staus durch die Demonstration hingewiesen wurde, verzichtete kaum jemand auf sein Auto. Die Folge: Dort, wo sein Weg die Demo-Routen kreuzte, hieß es warten. Allerdings habe die „Bevölkerung weitgehend Verständnis“ für die Behinderungen gezeigt, sagte ein Verkehrspolizist. Viel wurde auch Busfahrgästen zugemutet. Schon im weiten Umfeld leitete die BVG zahlreiche Linien um. Viele Haltestellen waren so nicht direkt zu erreichen, an anderen warteten Fahrgäste lange vergeblich auf einen Bus. Der Rat der BVG war: Umsteigen in S- und U-Bahnen.

„Der Nachwuchs ist doch wichtig“, sagt Siegfried Bergmann, ein Landwirt aus dem Oderbruch, der dem Demo-Aufruf des brandenburgischen Bauernverbandes folgte und bereits um 7 Uhr morgens Richtung Berlin aufgebrochen war. „Ohne Bildung geht es nicht. Das ist die einzige Fakultät in Brandenburg, wo soll das denn hinführen“, stimmen ihm zwei junge Landwirte aus dem Oderbruch zu. Viele der Landwirte sind auch gekommen, weil ihre Kinder, die den Hof übernehmen sollen, an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät studieren. Mit Hupkonzerten und Transparenten wurde der Forderung nach dem Erhalt der Fakultät Nachdruck verliehen: „Erst wenn die letzte Agrarfakultät geschlossen ist, werdet ihr merken, dass man Dummheit nicht essen kann“ war beispielsweise auf ein Bettlaken geschrieben worden.

Vor dem Schlossplatz stellten die Treckerfahrer erstmal ihre Motoren ab und warteten auf die samstägliche Studentendemo, die sich um 13 Uhr am Pariser Platz aufgemacht hatte, um sich dem Traktorenzug anzuschließen. Bei Dauerregen, den die Treckerfahrer in ihren Führerhäuschen unbeschadet überstanden, waren wiederum nur wenige Studenten auf die Straße gegangen. „Ich kann zwar verstehen, wenn manche Studenten jetzt Angst haben, ein Semester zu verlieren und wieder studieren. Aber man muss Prioritäten setzen und wenigstens versuchen, etwas zu ändern“, sagte TU-Student Thomas Schmidt. Seitens der Veranstalter war man zufrieden, für die zusammengeführten Demonstrationen zählten sie mehr als 2000 Teilnehmer, die Polizei sprach von insgesamt 1000 Demonstranten und 105 Traktoren.

Ab 15 Uhr zog dann eine von der Initiative Berliner Muslime veranstaltete Demonstration unter dem Motto „Gleichberechtigung aller Religionen“ vom Kreuzberger Oranienplatz bis zum Neptunbrunnen in Mitte. Die Polizei sprach von 1000 Teilnehmern, die gegen das Kopftuch-Verbot protestierten, die Veranstalter von circa 4000. Viele der Frauen trugen selbst ein Tuch über dem Haar – aber längst nicht alle. Bei einer Abschlusskundgebung am Roten Rathaus forderte ein Sprecher der Veranstalter „mehr Gottesbewusstsein und mehr Vertrauen von Politikern in muslimische Bürger“. fam, kt, weso

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