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Berlin: Mit Tricks die Preise hochgetrieben

Großverfahren gegen Autohändler, die mehr als 140 Kunden geprellt haben sollen

Genau 274 Seiten muss der Staatsanwalt verlesen – Stunde um Stunde. Es geht seit gestern vor dem Berliner Landgericht um Betrügereien beim An- und Verkauf von Gebrauchtwagen in einem außergewöhnlich großen Stil. In mehr als 140 Fällen sollen zwei Brüder im Alter von 30 und 33 Jahren sowie die ehemalige Lebensgefährtin eines der Männer Kunden übers Ohr gehauen haben. Den Betreibern eines Weddinger Gebrauchtwagenmarktes wird banden- und gewerbsmäßiger Betrug, Urkundenfälschung, Erpressung und Hehlerei vorgeworfen.

Der 33-jährige Mehmet D. war im Dezember letzten Jahres festgenommen worden. Auch sein drei Jahre jüngerer Bruder Birol D. sitzt in Untersuchungshaft. Unter Federführung der beiden Männer und der gelernten Schneiderin Mariam A. sollen jahrelang Kunden geprellt worden sein. Laut Anklage wurden Käufer beispielsweise über Kilometerleistung, Baujahr oder Unfallfreiheit der Wagen getäuscht. Ging es um einen Ankauf, sollen die Angeklagten den Preis wegen angeblicher Mängel herabgesetzt haben. Und immer wieder kam es nach Überzeugung der Ermittler bei Reservierungen oder Vereinbarungen über eine Finanzierung zu Betrügereien.

Der Schwindel beim Ankauf lief laut Anklage im Zusammenwirken mit der Werkstatt. Dort sollen angebliche Mängel notiert und mit einem Längsstrich versehen worden sein. Aufgrund einer „geschäftsinternen Codierung“ sei den im Autohaus tätigen Verkäufern klar gewesen, dass diese Schäden tatsächlich nicht vorhanden waren. Beim Verkauf wurden laut Anklage an technischen Daten manipuliert, um den Preis in die Höhe zu treiben.

Häufig seien Kunden auch bei Finanzierungen getäuscht worden. Verkäufer sicherten demnach zu, dass das Geschäft über die Hausbank ablaufen könne. Sie gaben jedoch vor, dass man der Bank einen Kaufvertrag vorlegen müsse. Als dann die Finanzierung abgelehnt wurde, seien Kunden mit wahrheitswidrigen Behauptungen über drohende Vertragsstrafen unter Druck gesetzt worden. Auch unverbindliche Reservierungen sollen die Angeklagten zu Kaufverträgen verfälscht haben.

Ein Mammutverfahren steht bevor. Mit Geständnissen ist nicht zu rechnen. Birol D. hat im Ermittlungsverfahren keine Angaben gemacht. Seine Ex-Freundin soll erklärt haben, dass sie zwar als Geschäftsführerin tätig war, aber keinerlei Verkaufsgespräche mit Kunden geführt habe. Mehmet D. soll die Vorwürfe bestritten und die Schuld mehr oder weniger auf seinen Bruder geschoben haben. Der Prozess ist bislang bis Dezember terminiert.

Kerstin Gehrke

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