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Berlin: Mitte: Auf Tuchfühlung

Zu einem Mann der Kämme macht, gehören auch Haare. Martin Groetsch, der nicht mehr all zuviel Haare auf dem Kopf hat, lässt sie sich dafür im Gesicht wachsen.

Zu einem Mann der Kämme macht, gehören auch Haare. Martin Groetsch, der nicht mehr all zuviel Haare auf dem Kopf hat, lässt sie sich dafür im Gesicht wachsen. Sein Bart reichte dem Mann aus Franken einst bis zur Brust. Fürs Gauklerfest hat er ihn etwas zurechtgestutzt. Die Kinder zeigen sonst immer mit dem Finger auf ihn - Mama, guck, da sitzt der Weihnachtsmann. Jetzt aber ist Sommer, und Martin Groetsch verkauft seine Kämme auf dem Sommerfest der Gaukler. Das sind natürlich nicht irgendwelche Kämme, solche aus Plastik etwa, für eins fünfzig. Wer hinter einem Stand in der Kunsthandwerkergasse neben dem Opernpalais sitzt, bei dem liegt keine Massenware aus. Sondern Handgemachtes - Kämme aus Holz.

Es gibt Kämme in jeder Form; fein gezahnt, grob gezahnt, mit Griff, ohne Griff, vom Läusekamm, der jetzt Schuppenkamm heißt, bis zum Spaghettikamm - ein Kamm, etwas zweckentfremdet, zum Nudeln aus dem Kochwasser kämmen. "Wie sind die denn behandelt?", fragt einer, der sich gerade für einen Kamm mit Griff und feiner Zahnung entschieden hat. "Gar nicht", sagt Martin Groetsch, "das Fett in Ihrem Haar ist der beste Holzschutz."

Wie die Kämme gemacht werden, das kann man hier sehen. In zünftiger Kluft sitzt Groetsch hinter seiner Sägemaschine. Die Späne fliegen. Das feine Stahlblatt frisst kurze Schnitte ins Holz, dicht an dicht, in exakt gleichem Abstand. Auf Wunsch werden hier auch Kämme repariert. Manchmal kommt einer, der hat seinen Kamm vor Jahren bei Groetschts Vater gekauft. Die wollen keinen neuen. Besonders Männer seien da besonders eigen.

Unkompliziert geben sich Männer bei Petra Wehmeier. Sie ist Handweberin und verkauft Schals. "Es ist erstaunlich", sagt sie, "Männer kommen zu meinem Stand und greifen gezielt nach einem Schal. Die wissen genau, was sie wollen. Bei Frauen dauert es viel länger." Jedes der Stücke hat Wehmeier selbst entworfen. Jedes ist ein Unikat. Nach 13 Jahren hat die Textilingenieurin die Modeindustrie verlassen, in einem Dorf bei Mönchengladbach einen Webstuhl in einer Werkstatt aufgestellt, um endlich kreativ zu sein. Sie arbeitet jetzt mit Seide und Kaschmir, statt mit Baumwolle und Polyester.

Mit japanischem Rindsleder arbeitet Karin Scholz. Das ist nur 0,3 Millimeter dünn und trotzdem extrem strapazierfähig. Daraus fertigt die Düsseldorferin Objekte ganz besonderer Art. Fische mit skurilen menschlichen Köpfen, Mondgesichter, spitze Tüten, verknauschte Fantasiegebilde - allesamt schwarz. Es sind Taschen. Handtaschen. Kunstobjekte. Auf komplizierte Weise gearbeitet. Zum Beispiel dieses plastische Mondgesicht. "Aus fünfhundert Stoffschichten ist die Grundform gebaut, bevor sie mit dem Leder bespannt wird", erklärt Karin Scholz die Technik. Der Aufwand hat seinen Preis. Bis zu zweitausend Mark kostet so ein Einzelstück. Karin Scholz liebt das Gauklerfest in Berlin; jedes Jahr kommt sie wieder: Sie macht hier 25 Prozent ihres Jahresumsatzes und arbeitet das ganze Jahr dafür. Außerdem hält sie viel von den Berlinern: Die seien "viel beschwingter" als die rheinischen Frohnaturen aus ihrer Heimatstadt Düsseldorf.

Marén Balkow

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