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© Doris S. Klaas

Mitte: Eine Schule kehrt zurück

Die ehemalige jüdische Mädchenschule in Mitte gehört nach 66 Jahren wieder der Gemeinde. Sie ist das letzte Gebäude, das die Jewish Claims Conferende an die Jüdische Gemeinde Berlins zurückgibt.

Umgeben von schick sanierten Häusern und hippen Galerien gehört der rote Klinkerbau in der Auguststraße 11-13 zu den letzten heruntergekommenen Häusern in Mitte: Auf Augenhöhe verdecken Graffiti und Plakate das Haus, weiter oben ist eine Fensterscheibe eingeworfen worden.

Aber das soll nicht so bleiben – wenn es nach dem Willen von Lala Süsskind, der Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlins geht, dann wird die Auguststraße 11-13 wieder das, was sie schon vor 1933 war: ein wichtiger Teil des jüdischen Lebens in Berlin. Nicht nur, dass die Synagoge in der Oranienburger Straße gleich um die Ecke liegt. Seit gestern gehört nun auch das Gebäude der ehemaligen Jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße 11-13 wieder zum Besitz der Jüdischen Gemeinde Berlins. „Es handelt sich um einen besonderen historischen Moment. Die Übereignung schafft die Möglichkeit, an dieser Stelle wieder endgültig jüdisches Leben zu etablieren", erklärte Lala Süsskind gestern bei der feierlichen Übergabe des Gebäudes durch die Jewish Claims Conferende (JCC).

Bis 1942 war das Gebäude eine jüdische Schule, danach wurde es als Lazarett genutzt. In der DDR war hier die „Bertolt-Brecht-Schule“ angesiedelt. Nach der Wende wurde das Gebäude an die Jewish Claim Conference übergeben. Die JCC ist ein Zusammenschluss jüdischer Organisationen in New York, die seit 1951 Entschädigungsansprüche jüdischer Nazi-Opfer vertritt.

Die ehemalige Mädchenschule sei laut Lala Süsskind das letzte Gebäude, das die JCC an die Jüdische Gemeinde Berlins zurückgebe. In den 90er Jahren war bereits das benachbarte Grundstück in der Auguststraße 14-17, in dem sich zunächst das Jüdische Krankenhaus und bis 1943 das Kinderheim „Ahawa“ befunden hatte, durch die JCC an die Gemeinde übertragen worden. Die Schule ist Teil dieses Ensembles von Gebäuden und Grundstücken der Jüdischen Gemeinde, das sich von der Ackerstraße bis zur Oranienburger Straße erstreckt. Laut Lala Süsskind wird im Vorstand zur Zeit darüber diskutiert, ob in die ehemalige Mädchenschule nun wieder Schüler einziehen sollen. Schließlich brauche die Jüdische Oberschule in der nahen Großen Hamburger Straße dringend eine Erweiterung, wie Lala Süsskind erklärte: „Die Schule erfreut sich außerordentlicher Beliebtheit. Bisher konnten nicht alle Schüler angenommen werden, die an diese Schule wollten." Jedes Jahr müsste aus Platzmangel ungefähr 50 Kindern der Besuch der Schule verwehrt werden.

Bis die ersten Schüler in das 3300 Quadratmeter große Gebäude ziehen, wird es allerdings noch unbestimmte Zeit dauern: Denn zunächst muss das denkmalgeschützte Haus durch Gutachter untersucht werden. Außerdem müsse die anstehende Schulreform abgewartet werden. Auch die Finanzierung der Umbauten sei noch nicht sicher, so Jochen Palenker, der Finanzdezernent der Jüdischen Gemeinde. Die Kosten der Sanierung schätzt er auf einen einstelligen Millionenbetrag.

Die Rückgabe war ein langwieriger Prozess: Um das Gebäude der ehemaligen Mädchenschule gab es über zehn Jahre zähe Verhandlungen zwischen der Gemeinde und dem JCC. „Der erste Kontakt war etwas spröde“, erinnerte sich Jochen Palenker. „Aber wenn beide Parteien sich bewusst werden, dass sie eigentlich am gleichen Strang ziehen, dann erreicht man das Ziel“, ergänzte Roman Haller, der Direktor der Jewish Claims Conference.

Haller erinnerte bei der Übergabe besonders an den Architekten Alexander Beer, nach dessen Entwürfen die Jüdische Mädchenschule 1930 für die damalige Jüdische Gemeinde errichtet wurde. Beer schuf in der Weimarer Republik unter anderem das Jüdische Waisenhaus in Pankow und die Synagoge am Fraenkelufer. 1944 starb Alexander Beer im Konzentrationslager Theresienstadt. Daniel Stender

Daniel Stender

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