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Pläne für das Berliner Schloss: Ornament der Masse

Prägend für "die Identität und das Gedächtnis" der Stadt soll es sein: Architekt Stella und Stiftungschef Rettig erklären, wie das Berliner Schloss Besuchermagnet werden soll.

Mit drei Millionen Besuchern im Jahr rechnet der Chef der Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum, wenn das 552 Millionen Euro teure Bauwerk ab dem Jahr 2018 bezogen sein wird. Und um auch junges Publikum in das Gebäude zu locken, erwägt Stiftungschef Manfred Rettig, das Schloss auch in den Berliner Schulen vorzustellen: „Weil dort die Nutzer sind, die bei Fertigstellung volljährig sein werden“ – und dann vielleicht als Studenten die Zentral- und Landesbibliothek im ersten Geschoss des Schlosses nutzen.

Damit wollte Rettig auch einem Besucher im voll besetzten Audimax der Humboldt-Universität die Sorge nehmen, dass zu wenig junge und „vor allem ältere Berliner“ sich für das historisierende Bauwerk begeistern. All jene also, denen es um das historische Erbe und die Geschichte der Stadt geht. Viele von ihnen, auch das wurde an diesem Mittwoch Abend deutlich, würden sich noch mehr Rekonstruktion, auch im Inneren des Gebäudes wünschen. Und dennoch gab es nur leise Kritik an der modern gestalteten Lochfassade mit dem strengen Raster von Architekt Franco Stella.

Mit einer Ausnahme: der unversöhnliche Auftritt eines jungen Studenten im grünen Sweater, der mit einer Brezel bewaffnet vor dem Podium seinen Unmut kund tat: „Entschuldigung – haltet ihr das nicht auch für feudale Sch...“ Das fand die Mehrheit des Publikums keineswegs, das die Störung gefasst überging. Buhrufe, Pfiffe und „Aufhören“-Rufe ertönten erst beim Einwurf der Berliner Grünen-Abgeordneten und Stadtplanungsexpertin Franziska Eichstädt-Bohlig, ob die Fassade nicht etwas mehr „zeitgenössisches Spiel“ vertragen würde und nicht auch Anklänge an den abgerissenen Palast der Republik erforderlich seien. Diese Berliner wollen ihr Schloss zurück.

Und Architekt Stella verspricht ihnen ein Bauwerk, das prägend für „die Identität und das Gedächtnis“ der Stadt wird und mit dem Humboldtforum zu „einem spektakulären Publikumsmagnet“ wird. Den Vorwurf der „Attrappe“ begegnet er mit dem Hinweis auf das 60 Zentimeter dickes Ziegelmauerwerk, das auch die Lasten von Figuren und Ornamenten eigenständig trägt. Ihre Zahl und ihr Gewicht werden allerdings vom Spendenaufkommen abhängen. Zurzeit reicht es bei vielen Portale in den Innenhöfen ähnlich wie bei der Kuppel nur für eine gleichsam nackte Version. Aber, so versichern die Planer: „Kein Teil wird falsch oder reduziert gebaut.“ Ornamente und Applikationen werden schlicht weggelassen – bis das nötige Geld da ist.

Und das wird recht bald fließen, davon ist Stiftungschef Rettig überzeugt: „Ein anonymer Spender hat Portal 5 komplett übernommen.“ Das koste vier Millionen Euro – und „die erste Million ist schon überwiesen“. Bei der Kuppel rechnet Rettig gar mit einem Wettbewerb unter den Namen, die „sich als Großspender damit in Verbindung bringen können“.

Die Kuppel liegt am westlichen Portal gegenüber vom Einheitsdenkmal – und das dürfte zum Haupteingang des Schlosses werden. Denn dahinter liegt der Veranstaltungsbereich mit den überdachten Hallen, „Agora“ nennt sie Stella, wo bei Großveranstaltungen Platz für 1200 bis 1500 Personen sein wird. Dort gibt es außerdem einen Multifunktionsraum und ein Auditorium für 500 Personen. Auch im Schlüterhof wird es Veranstaltungen geben, „Open-air“, weil der Hof nicht überdacht ist.

Die Rekonstruktion des Schlosses, die Mauern des gotischen Rathauses, die Grabungen am Petriplatz und der Entwurf für die Bebauung von Alt-Cölln – Berlin schickt sich an, die historische Mitte der Stadt zu entdecken und zu entwickeln. Aber schon der Umgang mit den ersten Funden – der Petrikirche und dem gotischen Rathaus zum Beispiel – zeigt: Die geborgenen Gemäuer unter der Erde bieten ebenso viel Sprengstoff wie die Frage, wie viel Geschichte braucht, wie viel Geschichte will sich Berlin leisten.

Die Berliner stimmen dieser Tage darüber mit den Füßen ab: Auch das Bürgerforum in der Marienkirche war einen Tag zuvor gut besucht. Und es ging hoch her. Das Forum haben der Stadthistoriker Benedikt Goebel und der Publizist Klaus Hartung ins Leben gerufen, und es mobilisierte in kürzester Zeit Hunderte. Sie fordern: Erst graben, dann planen – denn zuerst müsste der Berliner Untergrund, der noch weitere aufschlussreiche Funde verspricht, umfassend erforscht werden, dann könne man sich Gedanken über U-Bahn-, Straßenbahn- und Bebauungsplanung machen.

Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus: Die seitlichen Beton-Rampen der Rathausbrücke, die gerade entstehen, werden wie Mauern vor dem Nikolaiviertel emporragen. Oder das neue Shoppingcenter, dessen Baugenehmigung der Senat vor kurzem beschloss: Das haben zwar die Stararchitekten Sauerbruch & Hutton für den C&A-Konzern am Alexanderplatz entworfen. Doch der 38 Meter hohe Koloss ragt quer zum historischen Stadtgrundriss in die Höhe. Die aus Sicht des Forums aber zurzeit am stärksten umkämpfte Baustelle der Stadt liegt direkt vor dem Roten Rathaus: Der Bahnhof „Berliner Rathaus“ der Linie U5 soll just dort entstehen, wo man auf die Tuchhalle des alten gotischen Rathauses gestoßen ist. Ein Ansinnen, dass vom Forum strikt abgelehnt wird.

Doch Vertreter der BVG erläuterten, warum Umplanungen, die die Gesamterhaltung der historischen Funde ermöglichten, aus technischen Gründen nicht möglich sind: Der Tunnel vom Alexanderplatz ist zu weit vorgebaut, ein Verschwenken der Gleise nicht möglich, die Höhe auch vorgegeben, und die Kosten laufen ohnehin schon aus dem Ruder. Wie viel Geschichte leistet sich Berlin – auch das ist eine Frage des Geldes.

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