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"Mitternachtsnotar" verhaftet: Tag und Nacht zu allem bereit

Marcel E. soll als Notar ruinöse Verträge von Betrügern beurkundet haben Später vertrat er als "Verbraucherschützer" Opfer der dubiosen Geschäfte.

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Im Schlafanzug soll Marcel E. schon mal tief in der Nacht an die Tür seines Notariats getreten sein, um schnell noch einen Vertrag zu beurkunden. Den „Drückern“ aus der straff organisierten Kolonne um den bulligen tätowierten Bandenchef Kai-Uwe K. soll er verständnisvoll zugeraunt haben: „Macht euch keine Sorgen, ich war selbst mal Verkäufer.“ Nur um die arglosen Opfer der dubiosen Firma „KK Royal“, mit den Initialen ihres kriminellen Chefs im Namen, kümmerte sich Marcel E. nicht. Dabei wäre es seine Pflicht als Notar gewesen. Stattdessen trieb er sie in die Insolvenz. Das halten ihm jedenfalls die Ankläger vor und verhafteten ihn deshalb am Mittwoch.

Ob er seine mutmaßliche Unterstützung der dubiosen Geschäfte später bereut hat? Der Notar hat jedenfalls vor zwei Jahren eine wundersame Wandlung durchlaufen – vom „Mitternachtsnotar“ zum „Verbraucherschützer“. „Vom Saulus zum Paulus“ höhnten Insider der Internetplattform „Gomopa“, die sich die Entlarvung dubioser Finanzdienstleister auf die Fahnen geschrieben hat. An der Strafverfolgung wegen der 17 Fälle mit einem Schaden in Millionenhöhe, an denen er als „bandenmäßiger Betrüger“ beteiligt gewesen sein soll, ändert der Seitenwechsel von Marcel E. nichts – aber strafmindernd könnte sich das auswirken.

„Ich frage mich täglich, ob ich zu naiv war und früher etwas hätte merken müssen. Den Vorwurf muss ich mir gefallen lassen.“ Das hatte Marcel E. im Februar dem Tagesspiegel geantwortet auf die Frage, warum er seine Dienste der kriminellen Bande um Kai-Uwe K. angeboten hatte. Damals behauptete der Notar auch, er habe den „Verbraucherschutz“ stets ernst genommen. Er sei erst „aufgewacht“ vor zwei Jahren, als ihm Opfer der Bande Vorhaltungen machten. Und als er festgestellt habe, dass die Bande ihn „belogen“ habe.

Die Ermittler sind da anderer Meinung.

Die Ermittler sind da ganz anderer Meinung: Sie sprechen sogar von einem „Rahmenvertrag“, der mündlich zwischen den Verkäufern der Schrottimmobilien und dem Notar vereinbart worden sei. Marcel E. sei Teil eines „Systems“ gewesen, das die „Überrumpelung“ der Opfer zum Ziel hatte. Dazu habe Marcel E. „kurzfristig und jederzeit“ für die Beurkundung betrügerischer Immobiliengeschäfte zur Verfügung stehen müssen – und den Opfern die Risiken des Geschäfts „verschleiern“ müssen. Der Notar sollte sämtliche Kunden „mit allen Mitteln zur Unterschrift des bindenden Kaufvertragsangebots“ bringen.

Nach Tagesspiegel-Informationen soll sich die Bande um Kai-Uwe K. nicht nur an Marcel E., sondern auch an andere Berliner Notare gewandt haben. Notar E. soll einer Zusammenarbeit jedoch zugestimmt haben. E. habe „genau gewusst, was Sache ist“, sagte ein Jurist und Insider. Und er soll sogar für mehrere Strukturvertriebe im Zusammenhang mit Schrottimmobilien tätig gewesen sein.

Ende 2011 gehörte der Notar zu den Hauptkritikern von Michael Braun und nahm wiederholt öffentlich Stellung gegen den Notar und damaligen Justizsenator. Auch die Rolle der Notare beim Verkauf von Schrottimmobilien kritisierte E. Dass „der Bock zum Gärtner“ wurde, wie der Insider höhnte, könnte aber auch damit zu tun haben, dass die Notarkammer ihm zuvor mehrere Hinweise auf standesrechtliche Pflichtverletzungen und deren Konsequenzen gegeben hatte. So verlautet es in Notarkreisen. Eine Stellungnahme der Kammer war bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht zu erhalten. Das Landgericht Berlin als Dienstaufsicht wird wohl nach Abschluss des Strafverfahrens gegen Marcel E. ein Disziplinarverfahren einleiten.

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