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Modewoche: Berlin bereitet sich auf die Fashion Week vor

Einige große Marken bleiben der Modewoche fern. Hugo Boss konzentriert sich auf Asien und die USA. Dafür werden die Messen mit neuen Trends immer wichtiger.

Es ist Modewoche und alle kommen – nur der Boss nicht. Denn genau so sieht sich das größte und umsatzstärkste Modeunternehmen in Deutschland. Hugo Boss war immer eine verlässliche Größe, schon lange vor der Fashion Week lud das Unternehmen aus Metzingen seine Händler, die Presse und vor allem Prominente, die diese Bezeichnung verdienen, nach Berlin ein. Damit ist jetzt Schluss und so richtig zufrieden stellt die Begründung nicht: „Wir konzentrieren uns jetzt auf unsere Märkte in Asien und den USA“, heißt es von einer Sprecherin. In New York zeigt Boss im nächsten Frühjahr die erste Modenschau unter der Regie des neuen Chefdesigners Jason Wu. Im Juni hat Boss nach Schanghai zur großen Modesause geladen. Der Showroom am Osthafen, in den der Konzern jede Saison Einkäufer zum Sichten und Bestellen der Boss-Linien einlädt, bleibt erhalten, ist aber nicht als Ersatz für die Schau gedacht.

Schon seit einigen Saisons finden die Hauptevents des Labels nicht mehr in Berlin statt. Trotzdem waren es die einzigen Modenschauen, die im internationalen Vergleich mithalten konnten – nicht was die gezeigte Mode anging, aber die Inszenierungen. Die waren aufwendig und teuer. Boss hatte den Ehrgeiz, jede Saison einen neuen Ort zu finden, der noch nicht bespielt worden war. Die Opernwerkstätten in Mitte, in denen die letzte Schau der Linie Hugo im Januar stattfand, wird in diesem Sommer von dem Düsseldorfer Messeunternehmen Igedo genutzt, am Mittwoch zeigt dort das Berliner Label LaLaBerlin seine Kollektion.

Rein wirtschaftlich kann man die Entscheidung von Hugo Boss verstehen – die Erlöse in Europa sinken, die in Asien steigen. Schon in zwei Jahren sollen sie 21 Prozent des Konzernumsatzes ausmachen. Aber da wäre ja noch die psychologische Komponente, und die ist in der Mode nicht zu unterschätzen. Boss hat immer betont, wie wichtig es ist, als deutsche Marke in Berlin präsent zu sein.

Unvorstellbar, dass Gucci und Prada darauf verzichten, in Italien ihre Entwürfe zu zeigen, die Verortung in der Heimat ist unerlässlich fürs Image. Natürlich ist Berlin lange noch nicht als Modestandort so etabliert, hat aber eine rasante Entwicklung hinter sich, wie es auch Tanja Mühlhans, beim Berliner Senat zuständig für die Modewirtschaft, feststellt: „Berlin hat in wenigen Jahren geschafft, wozu keine andere Stadt weltweit in so kurzem Zeitraum in der Lage war: sich international als Modestadt einen Namen zu machen.“

Dass alteingesessene Marken wie Escada und Rena Lange auf eine Schau in Berlin verzichten, kommt noch erschwerend hinzu, hat aber eher mit der unsicheren finanziellen Situation der Labels zu tun.

Der Rückzug von Boss gibt zu denken – wenn auch nicht allen. So findet Bread-&- Butter-Chef Karl-Heinz Müller die Abstinenz von Boss, Escada und Rena Lange nicht bedauerlich. Denn während die Fashion Week im Zelt auf der Straße des 17. Juni den Weggang der großen Namen beklagt, kann sich die größte Modemesse der Stadt über einen neuen Hauptmieter freuen. Der dänische Modekonzern Besteller, der über eine ähnliche wirtschaftliche Kraft wie Boss verfügt, hält Berlin für einen unverzichtbaren Standort und hat in dieser Woche zum ersten Mal einen ganzen Hangar auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof für all seine Marken gemietet. Dazu gehören Jack & Jones, Selected und Vero Moda. In der Branche wird befürchtet, dass die Qualität der Messe durch den neuen Mieter leiden könnte – einige der Marken sind ähnlich kommerziell ausgerichtet wie die großen Modediscounter H&M, Zara und Primark, denen Karl-Heinz Müller noch einmal ausdrücklich Hausverbot erteilt hat. Die Marken von Besteller werden in rund 12 000 Läden in 53 Ländern und in 3000 eigenen Geschäften verkauft.

Trotzdem entwickelt sich Berlin nicht nur wegen der großen Messen Bread & Butter und Premium immer mehr zu einem Standort für Marken, für die eine Modenschau eher uninteressant ist. Es geht darum, dem Einzelhändler Ware zum Verkauf zu präsentieren. Das funktioniert oft am Messestand am besten. So hat Berlin inzwischen Messen für Rockabillies und Gothic-Fans, Skater, Übergrößen und Umweltbewusste. Dazu kommt eine, auf der sich Produzenten aus China und Indien direkt an Modefirmen wenden. Und auch wenn die Modewelt immer noch nicht am Flughafen BER landen kann, wächst die in der vergangenen Saison gestartete Panorama für kommerzielle Marken auf 400 Aussteller. Mehr als 3000 sind es insgesamt in Berlin.

Da ist die Zahl der Designer im Fashion-Week-Zelt eher übersichtlich: von 55 sind 30 aus Berlin. Und sie sind der Grund, warum die Fashion Week nach Berlin gehört: Die Designer der Marken Lala Berlin, Augustin Teboul, Kaviar Gauche, Vladimir Karaleev entwickeln nicht nur ihren Stil seit Jahren kontinuierlich weiter, sie machen damit inzwischen auch Umsatz – zwar in überschaubarem Rahmen, aber überlebensfähig. So ergibt sich mit dem Wegbleiben von Boss für die Mercedes Benz Fashion Week ganz automatisch ein größerer Fokus auf junge und innovative Labels aus Berlin.

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