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Berlin: Möbel kaufen beim Coiffeur

Die moderne Variante der Gemischtwarenläden: Immer mehr Unternehmer kombinieren verschiedene Branchen unter einem Dach

Es ist noch gar nicht so lange her, da war ein Blumenladen einfach ein Blumenladen. Ein Friseur war ein Friseur. Ein Modegeschäft war ein Modegeschäft. Ein Club war ein Club. Und ein Café war – na? – ein Café.

Diese alte Ordnung gilt heutzutage nicht mehr, denn immer mehr Unternehmer in Berlin setzen auf ein Mischkonzept und kombinieren verschiedene Dienstleistungsangebote miteinander. So auch Shan Rahimkhan, Coiffeur und Stylist der Berliner Prominenz. Seine neue Dependance am Gendarmenmarkt gibt sich nicht mehr als Friseurgeschäft, sondern erhebt Anspruch auf Rundumservice in verschiedenen Bereichen.

„Casa-Coiffeur-Café“ – mit diesen drei Worten umreißt Rahimkhan das Konzept seines 800 Quadratmeter großen Ladens. Soll heißen: Hier kann sich der Kunde nicht mehr nur die Haare machen lassen, sondern nebenbei auch einen Caffe Latte und ein Stück Kuchen bestellen oder exklusive Wohnaccessoires kaufen. „Wir wollen unseren Gästen ein Mehr an Wohlgefühl und Dienstleistung bieten“, sagt Claudia Rahimkhan, Ehefrau und Pressesprecherin von Shan Rahimkhan in Personalunion. Das entsprechende Konzept dafür habe das Ehepaar aus dem Ausland importiert. In Italien beispielsweise seien Läden, die unterschiedliche Angebote miteinander verbinden, längst weit verbreitet.

Knapp ein Jahr lang haben sie und ihr Mann nach einem geeigneten Ort zur Umsetzung ihres Vorhabens gesucht. Als sie auf das Eckgebäude an der Markgrafenstraße mit Blick auf das Konzerthaus und den Französischen Dom aufmerksam wurden, war das Innere des Hauses nicht mehr als ein Rohbau. Graue Betonwände. Karge Estrichböden. Erst der italienische Innenarchitekt Davide Rizzo hat daraus ein einladendes Interieur aus zeitloser Eleganz und kühlem Chic geschaffen. Die verschiedenen Ladenbereiche sind durch unterschiedliche Gestaltungskonzepte voneinander abgegrenzt: Heller Marmor, mit goldenen Fäden durchzogenes Panzerglas und speziell geschliffene Acrylstäbe dominieren den Friseur-Teil, dunkle Farben geben im Einkaufsbereich den Ton an und im Café zieren Altberliner Kacheln von 1905 den massiven Tresen. Als verbindendes Element zwischen den drei Bereichen dient allein der schwarz pigmentierte Fußboden.

Ob das Misch-Konzept funktionieren wird? Claudia Rahimkhan zögert einen Moment mit der Antwort. Natürlich sei der Laden für ihren Mann und sie ein „Pilotprojekt“. Doch gerade die Erfahrungen aus dem Charlottenburger Geschäft in der Grolmanstraße („Hagn & Shan“) haben gezeigt, dass es ein gesteigertes Bedürfnis für Service und Dienstleistung gibt. Um diesem Anspruch zu genügen, soll die Mitarbeiterzahl bald von 20 auf 30 aufgestockt werden.

Von einem derartigen Personalaufgebot ist die „Villa Caprice“ in der Dircksenstraße 37 in Mitte noch weit entfernt. Dennoch fühlen sich die Gäste in dem kleinen, im Retro-Look hergerichteten Laden unweit des Alexanderplatzes gut umsorgt. Im vorderen Bereich des Geschäfts können sie sich auf 60er-Jahre-Polstermöbeln zurücklehnen, um die kleinen Snacks zu genießen, die ihnen ein Kellner in Sichtweite zubereitet. Im hinteren Teil der „Villa Caprice“ gibt es Mode von ausgewählten Berliner Designern. Diese kann man dann an den Wochenenden auf der hauseigenen Tanzfläche zur Schau tragen. In den Clubbereich im Untergeschoss gelangt man über eine Treppe und dort stehen regelmäßig DJs wie Tagträumer oder Dirty Döring an den Reglern und beschallen die Gäste mit Discohouse.

Im „Anna Blume“ in der Kollwitzstraße 83 in Prenzlauer Berg verbreiten gedämpfte Chill-out-Klänge eine entspannte Kaffeehaus-Atmosphäre. Auf den roten geschwungenen Ledersofas fläzen sich tagsüber gut gekleidete Menschen um die Dreißig. Sie schlürfen Kaffee aus dem Glas und blättern dabei in der Zeitung, während eine Floristin im angrenzenden Raum schöne Blumengestecke bindet. Die floralen Gebinde sind bis nachts um 2 Uhr erhältlich. Mit diesem Service wurde schon so manchem verzweifelten Mann aus der Patsche geholfen, wie eine Mitarbeiterin verrät. Ihr viel sagendes Lächeln offenbart: Es ist vielleicht gar nicht mal so verkehrt, dass sich die althergebrachte, einfache Ordnung der Dinge überlebt hat und ein Café heutzutage Blumenladen, Modegeschäft, Friseur und Club in einem sein kann.

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