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Mögliche Koalition: Linke will Rot-Grün keine Stimmen leihen

Sollten sich SPD und Grüne in Berlin auf eine Koalition einigen, stehen die Linken als verflossener Regierungspartner nicht als Stimmvieh zur Verfügung. Klaus Wowereit muss sich seine Mehrheit selbst organisieren.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Wahl zum Regierungschef mit einer Stimme Mehrheit? Der Schock von 2006 steckt den Berliner Sozialdemokraten noch heute in den Knochen. Damals wurde Klaus Wowereit, ihr Kandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters, erst im zweiten Anlauf gewählt. Zwei Parlamentarier enthielten sich im ersten Wahlgang der Stimme, die äußerst knappe rot-rote Mehrheit wurde verfehlt. Wer die U-Boote waren, wurde nie bekannt. Immerhin kam es nicht zum Debakel wie im Kieler Landtag 2005, als die SPD-Frau Heide Simonis in vier Wahlgängen scheiterte und ihre politische Karriere zwangsläufig endete.

Hilfe von dritter Seite kann Wowereit jedenfalls nicht erwarten. Sollten sich SPD und Grüne in den nächsten Wochen auf eine Koalition einigen, stehen die Linken als verflossener Regierungspartner nicht als Stimmvieh zur Verfügung. „Wir füllen keine fehlenden Mandate auf“, sagte der Linken-Landeschef Klaus Lederer dem Tagesspiegel. Seine Partei bereite sich auf eine konstruktive Opposition vor, die die neue Regierung treiben wolle. „Wir werden uns keinem Bündnis, das eine eigene Mehrheit hat, als tolerierender Partner andienen, auch wenn die Mehrheit hauchdünn ist.“ Die Unterstützung in einzelnen Sachfragen schließe das nicht aus, wenn es politische Übereinstimmungen gebe, sagte Lederer, „aber wir geben keine Blankoschecks aus.“

Die Piraten, als vorerst schwer kalkulierbare Neulinge im Politgeschäft, taugen erst recht nicht als Steigbügelhalter für Wowereit. Zwar plädierte Mark Rackles, Sprecher der SPD-Linken, dafür, die Piraten im Landesparlament „mit offenen Armen zu empfangen“ und sie als potenziellen Partner eines gesellschaftlichen „Zukunftsbündnisses für Berlin“ zu verstehen. Auch wird in der SPD-Abgeordnetenhausfraktion versichert, dass man die Polityoungster „vernünftig behandeln“ werde. Aber eine formelle Kooperation mit den Piraten, um die Ein-Stimmenmehrheit für eine Wahl Wowereits zum Regierungschef zu erweitern, sei in der Fraktion kein Thema.

Daraus leitet sich die Frage ab: Wie verlässlich ist die SPD-Fraktion bei der geheimen Wahl ihres Spitzenmanns mit der gesetzlich vorgeschriebenen absoluten Mehrheit der Stimmen? Derzeit haben SPD und Grüne zusammen 76 Mandate. Für Wowereit müssten 75 Abgeordnete stimmen, erst im dritten Wahlgang reicht die relative Mehrheit. Der SPD-Politiker hat bislang nicht erkennen lassen, ob er mehr als einen Wahlgang überhaupt mitmachen würde.

Sollte Wowereit im Parlament mit Rot-Grün scheitern, gilt es als politisch ausgeschlossen,dass er anschließend noch ersatzweise mit der CDU über eine rot-schwarze Koalition verhandeln könnte. Auch das hört man in der Berliner SPD. Die Alternative wäre eher: Wowereit und der SPD-Landeschef Michael Müller treten zurück, und es gibt Neuwahlen. Aber noch wird sondiert, und die knappe Mehrheit für Rot-Grün gibt den Sozialdemokraten genug zu denken, um auch mit den Christdemokraten ernsthaft ein Bündnis auszuloten. Am heutigen Donnerstag wird mit der CDU sondiert.

Außerdem muss sich die größte Fraktion im Landesparlament erst einmal sortieren. Die konstituierende Sitzung findet ebenfalls am Donnerstag statt. Voraussichtlich bleiben der SPD-Fraktionschef Michael Müller und die übrigen Vorstandsmitglieder bis zur Bildung eines neuen Senats im Amt. Von den 47 Abgeordneten sind 16 neu im Parlament. Als Favoritin für den Fraktionsvorsitz, sollte Müller in den Senat gehen, gilt die Haushaltsexpertin und Parteilinke Dilek Kolat. Ulrich Zawatka-Gerlach

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