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Berlin: Mondschein über der Discokugel

Zur Eröffnung hat der Open-Air-Club Else die Nachbarn noch genervt. Das hat sich gebessert.

Auf vier Spuren rauscht der Verkehr über die Elsenbrücke, die Friedrichshain und Treptow verbindet. Über eine weitere Überführung rumpelt die S-Bahn. Kein Ort, der einem sofort einfällt, um hier seinen Sonntag zu verbringen. Und doch tun dies Hunderte. Sie treffen sich in Berlins neuem Open-Air-Club „Else“.

Er ist nicht schwer zu finden. Schon von weitem sieht man die vielen leuchtenden Discokugeln. An der Straße stapeln sich in Schwarz und Silber bemalte Container, am Spreeufer bietet ein Unterstand Schutz vor Regen. Durch die Lage zwischen der Brücke und der Betonwand der S-Bahn fühlt man sich wie in einem Haus ohne Dach. Die Tanzfläche soll einen Holzboden bekommen, bislang müssen sich die Gäste mit Rindenmulch zufriedengeben. Darüber hängen 16 Lautsprecher, die den Sound wie bei einer Dusche von oben herabregnen lassen.

Die Konstruktion soll verhindern, dass sich die Anwohner gestört fühlen, aber gleichzeitig für einen satten Sound sorgen. „Die Anlage ist eigentlich viel zu groß dimensioniert und läuft im Minimalbereich. Bei voller Leistung würde der Allianztower vibrieren”, sagt Tony Ettelt, der Betreiber. Ein wenig sei es so, wie mit einem Ford Mustang durch eine 30er Zone zu fahren. Eigentlich Verschwendung, Spaß mache es trotzdem.

Ende Juni feierte das Else-Team Eröffnung. Sie sind keine Unbekannten in Berlins Partyszene. Ihr eigentliches Domizil liegt gleich gegenüber. In einem leer stehenden Altbau betreibt Ettelt mit Freunden den Club „Wilde Renate“. Neben dem Club im ersten Stock gibt es dort einen Kaminsalon und eine Gartenanlage. Renate soll mehr sein als Remmidemmi. Und vor allem will der Club mit seinen Gästen im Sommer raus. Da reist man schon mal in ein Jugenddorf am Müggelsee oder auf eine Insel in Kroatien. Renate ist bekannt für aufwendige Dekorationen an ungewöhnlichen Orten. Manchmal hängen Boote in Bäumen oder Unterwäsche über der Tanzfläche. Auch Else soll noch kreativer gestaltet werden.

Stefan Glücklich hingegen sieht den neuen Club kritisch. Der 59-jährige Programmierer hat mit dem Rechtsanwalt Rüdiger Lange die Internetseite www.stralau-gegen-laerm.de ins Leben gerufen. Sie verstehen sich als Sprachrohr für Stralauer Bürger, die sich durch den zunehmenden Lärm belästigt fühlen. „Besonders störend sind die Technoboote, die immer häufiger ohne Genehmigung auf der Spree fahren”, sagt Stefan Glücklich. Zudem sei es in der Vergangenheit zu extrem lauten Partys auf dem Gelände des Spreeparks gekommen. Die Internetseite sei als Hilfestellung gedacht, um Lärmverursacher ausfindig machen zu können. Andere sehen die Seite als Pranger.

Auf der Startseite beschäftigt sich ein Artikel ausführlich mit Else. Zur Eröffnung sei eine erhebliche Lärmbelästigung aufgetreten, heißt es dort. Die gleichförmigen Bässe seien weit zu hören gewesen. Für Tony Ettelt kam die Beschwerde über das Internet überraschend: „Zur Eröffnung war weder die Polizei da noch ein Anwohner. Dass wir zu laut waren, habe ich quasi aus der Presse erfahren.”

Unverzüglich wandte er sich per E-Mail an Stefan Glücklich. Eine Spezialfirma nahm erneut Messungen vor. Die 16 Lautsprecher wurden niedriger gehängt und die Lautstärke reduziert. Seitdem sei es zu keinen weiteren Störungen gekommen, heißt es auf der Internetseite, und Stefan Glücklich lobt: „Ich wünschte, alle Clubbetreiber wären so kooperativ.” An der Elsenbrücke sei es früher häufiger zu Störungen gekommen. Der Ort war beliebt bei illegalen Open-Air-Veranstaltern.

Am 6. August ab 19.30 Uhr stellt sich Tony Ettelt dem Bürgerforum Stralau im Wohnheim „Leben lernen” (Alt Stralau 32b). Dort können weitere Probleme besprochen werden. „Wir bleiben skeptisch”, sagt Stefan Glücklich. „Für eine endgültige Einschätzung ist es zu früh”.

Auch an diesem Juliwochenende hat die Else geöffnet. Am gestrigen Sonnabend fand dort das „Telepathic Bubblebath Festival” statt. Organisiert wurde es von Ingmar Koch, einem Urgestein der deutschen Elektronikszene. Entsprechend ungewöhnlich war das Programm. In verschiedenen Konstellationen spielten rund 15 Musiker eine zehnstündige Jam-Session, darunter Michael Rother, der ein Jahr lang Mitglied von Kraftwerk war, oder Harald Blüchel, der in den 90er Jahren als Cosmic Baby mit Paul van Dyk einige Clubhits hatte, sich dann aber aus der Clubszene zurückzog und vor allem der Theatermusik widmete.

Am heutigen Sonntag steht dann wieder die Party im Vordergrund. Der Norweger Todd Terje hat mit seinem Schnauzbart nicht nur bei Hipstern ein Stein im Brett. Seine fluffige, discolastige Housemusik passt perfekt zum derzeitigen Berliner Sommer.

Dieser hält hoffentlich, wenn es nach Tony Ettelt geht, bis Mitte September an. Dann verabschiedet sich die Else in die Winterpause, und an der Elsenbrücke kehrt Ruhe ein. Lediglich die Autos rauschen weiter über die Spree.

Else Club, An den Treptowers 10 in Treptow, jeden Sonntag ab 10 Uhr.

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