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Der Tatort in der Köllnischen Heide.

© Thomas Schröder

Mord an schwangerer Maria P. in Adlershof: Verlorene Leben

Eine hochschwangere junge Frau wird bei lebendigem Leib verbrannt. „Es war auch mein Kind“, sagt einer der beiden mutmaßlichen Mörder von Maria P. Seitdem schweigt er. Und noch sind viele Fragen offen.

Tränen laufen über ihre Wangen, sie drückt ein weißes Stofftaschentuch auf ihre rot geweinten Augen. Es ist Mittwochmorgen, als diese Dame Mitte 40 im kleinen Wäldchen der Köllnischen Heide in Adlershof steht und mit tränenerstickter Stimme fragt: „Wieso sind wir Menschen nur zu solcher Grausamkeit fähig?“ Vor ihr stehen zwei weiße Kreuze im rot-braunen Laub. Eines klein, eines groß. Eines für Maria P., die hochschwangere 19-Jährige, die am vergangenen Donnerstagabend hier erst niedergestochen und dann bei lebendigem Leib verbrannt wurde. Eines für ihr ungeborenes Kind. Die Tatverdächtigen sind zwei Gleichaltrige: Eren T., der Ex-Freund von Maria P. und Vater ihres Kindes. Und Daniel M., sein Freund.

Wieso sind wir Menschen nur zu solcher Grausamkeit fähig? Seitdem die Tat am Freitagmorgen bekannt geworden war, stellen sich viele diese Frage. Wie konnten die mutmaßlichen Täter so etwas tun? Wie kann so etwas passieren, mitten in Berlin? Antworten könnten kaum helfen, das Geschehene zu verstehen, sie lieferten höchstens eine Erklärung. Doch leicht zu finden sind sie nicht.

Die Familie von Eren T. wohnt in einer Nebenstraße nahe der U-Bahn Karl-Marx-Straße, mitten in Neukölln. Pflasterstein, keine Geschäfte. Es ist ein ruhiger Ort, kaum Autos. Das Haus selbst ist ein niedriges fünfstöckiges mit grüner Tür. Die Nachbarn, die durch sie hindurchgehen, wollen nicht sprechen.

"Er war der Ruhigste und Bravste"

Wenn man bei Familie T. klingelt, wird sofort geöffnet. Ein Mann, der sagt, er sei Erens Onkel, tritt auf den Flur im ersten Stock und zieht schützend die Wohnungstür hinter sich zu. Aus der Wohnung sind viele verschiedene Stimmen zu hören. Die ganze Familie ist offenbar zusammengekommen. Vor der Tür stehen mehrere Paar Schuhe. Erens Onkel ist ein Mann um die 50, graue Haare, grauer Bart. Mit leiser, höflicher Stimme bedankt er sich für das Interesse der Medien. Aber seine Familie sei nicht imstande, etwas zu sagen. „Die sind total fertig.“ Erens Mutter Güler T. habe sich schlafen gelegt.

Maria P. habe er nicht gekannt, sagt Erens Onkel. Er könne nicht verstehen, was passiert sei, sagt er, keiner könne es. „Es ist ein Rätsel.“ Nur so viel möchte er sagen. „Eren war der Beste von den Kindern. Der Ruhigste und Bravste.“ Er soll nie Ärger gemacht haben. Vor einigen Monaten habe er sich sogar bei der Polizei beworben, erzählt der Onkel. „Aber es gab Probleme mit der Sportprüfung.“ Die Polizei will das nicht bestätigen.

Mehr und mehr wird derzeit allerdings zum Tathergang am vergangenen Donnerstagabend bekannt. Selbst wenn die Staatsanwaltschaft Details zum „Kerngeschehen“ verschweigt. Es gebe Ungereimtheiten in den Aussagen, heißt es, eine Veröffentlichung würde die Ermittlungen gefährden. Mittlerweile sucht die Polizei auch nach Zeugen. In den Tagen vor ihrem Tod soll Maria P. zu ihrer Familie gesagt haben, dass sie sich von T. bedroht fühle. Zur Polizei, so viel ist gewiss, ging sie deswegen jedoch nicht.

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Er erweckt einen "ziemlich coolen" Eindruck - und verstrickt sich in Widersprüche

Eren T. habe das Kind abgelehnt, heißt es. Vermutlich stand er unter starkem Druck seiner Familie. Für ein Ermittlungsverfahren gegen Familienangehörige reicht das aber derzeit nicht. Auslöser für die Tat war wohl ein Brief vom Jugendamt, in dem Eren T. mitgeteilt wurde, dass Maria P. ihn als Vater angegeben hatte. Am Donnerstagabend sollen Eren T. und Daniel M. die junge Frau unter einem Vorwand in einen gemieteten Renault-Transporter gelockt haben. Im Wagen hatten die beiden jungen Männer einen Schlagstock, ein Brotmesser und einen Kanister Benzin versteckt. Maria P. soll Daniel M., wenn überhaupt, nur flüchtig gekannt haben. Eine Polizistin erklärt, dass die Schwangere sicher nicht freiwillig eingestiegen sei. Die drei fahren in die Köllnische Heide, das Waldstück im Treptower Ortsteil Adlershof. Sowohl von Hohenschönhausen, wo Maria wohnte, als auch von Neukölln ist das ein gutes Stück entfernt.

Im Wald soll Eren T. seiner früheren Freundin mit dem Schlagstock auf den Kopf geschlagen und ihr dann mit dem Brotmesser zwei Mal in den Unterleib gestochen haben. Daniel M. hat sie dabei offenbar festgehalten. Bei „vollem Bewusstsein“, dies betont die Staatsanwaltschaft, soll Maria P. dann mit Benzin übergossen und angezündet worden sein. Sie versuchte wohl, noch ein paar Schritte wegzulaufen, brach dann aber zusammen. Bei einer Obduktion wurden Verbrennungsrückstände in ihrer Lunge gefunden. Ein Zeichen dafür, dass sie beim Anzünden noch atmete.

"Das ist auch mein Kind"

Um drei Uhr nachts geht Eren T. in eine Polizeiwache in der Sonnenallee Ecke Wildenbruchstraße, etwa zehn Minuten vom Haus seiner Eltern entfernt. Auf der Wache meldet er nicht nur Maria P. als vermisst, sondern beschuldigt auch seinen Freund. Daniel M. habe ihm gerade so komische Sachen gesagt und nun mache er sich Sorgen. Knapp fünf Stunden, nachdem Eren T. die Wache betreten hat, finden Spaziergänger im Wald eine Leiche.

Obwohl Eren T. – so der Eindruck aller Ermittler – einen „ziemlich coolen“ Eindruck erweckte, verwickelt er sich in Widersprüche. Nachdem ihm offiziell eröffnet wird, dass er von nun ab als Beschuldigter gilt, verweigert er jede weitere Aussage. Später soll er dem Ermittlungsrichter nur einen Satz gesagt haben: „Das ist auch mein Kind.“

Am Sonnabend wird Daniel M. festgenommen. Eren und er kennen sich aus der Schule in Neukölln. Seit drei Jahren ist M., was T. nicht werden wollte: Vater. Daniel M. hat einen Sohn. Polizeilich gemeldet ist er bei der Mutter des Kindes, in Buckow im Neuköllner Süden. Früher wohnte M. ebenfalls in Neukölln, nahe dem Maybachufer. In einem mehrstöckigen Neubau mit weiß-blauer Fassade. An den Balkonen hängen Satellitenschüsseln. Auf dem kleinen Spielplatz neben dem Haus soll Daniel M. früher Zeit verbracht haben. Er habe nie Ärger gemacht, sagt ein Nachbar.

Wieso sich Daniel M. an der Tat beteiligte, ist unklar

Dass er ein unauffälliger Junge war, erzählt auch eine andere Nachbarin. Daniel M. habe damals mit seiner Mutter, seinem Vater und drei Geschwistern hier gewohnt. Der älteste Sohn hätte damals selbst ein Kind gehabt. Wie ein Junge wie Daniel an so einem Mord beteiligt sein könnte, kann sich hier keiner erklären. „Wir sind selber schockiert“, sagt die Nachbarin.

Bei seiner Festnahme soll Daniel M. das Gegenstück von Eren T. gewesen sein. „Völlig aufgelöst“, so schildern ihn Ermittler. Anders als T. ist M. bereits mehrfach auffällig geworden: Körperverletzung, Diebstahl, Verstoß gegen das Urheberrecht. Doch alle Verfahren wurden gegen Auflagen eingestellt, in Haft war er nie. Daniel M. gibt zu, an der kompletten Tat beteiligt gewesen zu sein, doch habe er nicht gewusst, wie dieser Abend enden werde. Die Staatsanwaltschaft wertet dies als Schutzbehauptung. Die Tat sei vollständig gemeinsam geplant worden, heißt es, vom Leihen eines Mietwagens bis zum Befüllen des Benzinkanisters. Gemeinschaftlicher Mord und gemeinschaftlicher Schwangerschaftsabbruch – so lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Beiden Verdächtigen drohen nach Jugendstrafrecht 15 Jahre Haft, nach Erwachsenenrecht lebenslänglich. Wieso sich Daniel M. an der Tat beteiligte, ist unklar. Geld wurde ihm offensichtlich nicht gezahlt, es gab auch keine Drohungen oder Ähnliches. Die Ermittler erklären: „Daniel macht, was Eren sagt.“ Daniel M. sei Eren T. intellektuell völlig unterlegen. T. habe den mittleren Schulabschluss und eine abgebrochene Metallbauerlehre. M. habe sich nach der Schule nur treiben lassen.

Forensisches Gutachten

Wann die beiden von einem Psychiater begutachtet werden, steht nicht fest. Ein forensisches Gutachten wird in Mordfällen von der Staatsanwaltschaft beantragt. Es sei wichtig, einen Tatverdächtigen „möglichst zeitnah“ zu sprechen, denn mit Wochen oder mehreren Monaten Distanz veränderten sich die Täter, sagt ein bundesweit bekannter Forensiker.

Gerade bei Beziehungstaten beharre der Täter zunächst darauf, dass das Verbrechen geschehen musste. Mit Monaten Abstand ändere sich dies – das eigene Handeln werde infrage gestellt. Vorteil einer schnellen Begutachtung sei auch, dass die Verteidiger ihren Mandanten noch nicht beeinflussen und ihm genau erklären konnten, was man dem Arzt sagt und was nicht. Trotzdem bestellen Ermittler einen Gutachter nur selten sofort zur Hilfe, sondern in der Regel tatsächlich erst einige Wochen nach der Tat. Grund dafür ist, dass die Bestimmung eines Gutachters mit dem Einverständnis der Verteidigung erfolgen soll. In einem Prozess ist der forensische Gutachter – in der Regel ein Psychiater – bei jeder Sitzung anwesend. Zuvor besucht er den Beschuldigten im Gefängnis.

Wenn es darum geht, herauszufinden, ob ein Täter schuldfähig ist, seien drei bis fünf Sitzungen von jeweils zwei bis drei Stunden Dauer Standard. Vor Gericht beschreibt der Gutachter den Lebenslauf des Angeklagten und gibt eine Einschätzung ab. Eine verminderte Schuldfähigkeit, bedingt etwa durch Drogenkonsum zum Tatzeitpunkt, kann etwa eine kürzere Haft zur Folge haben. Ist der Täter schizophren oder an einer Psychose erkrankt, kann er auch als schuldunfähig gelten.

Aus forensischer Sicht ist der Mord an einer Hochschwangeren selten. In der Regel werden Frauen offenbar getötet, wenn die Schwangerschaft bekannt wird, aber nicht erst kurz vor der Entbindung. Es ist kein Trost im Fall Maria P., über den sogar ein Experte der Polizei in den vergangenen Tagen sagte, er könne sich an eine ähnlich grausame Tat nicht erinnern.

Dieser Text erschien auf der Dritten Seite.

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