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Mord in Lübars: Eine verhängnisvolle Affäre

Es ist die große Liebe, dachte sie und freute sich auf eine gemeinsame Zukunft mit einem Mann, der sein Leben wie sie selbst Pferden widmete. In Wirklichkeit war die 21-jährige Christin R. das Opfer eines schrecklichen Plans. In der Nacht zum 21. Juni 2012 wurde sie in Lübars ermordet. Die Rekonstruktion eines Verbrechens.

Das Böse hat einen langen Anlauf genommen, bevor es Christin R. getroffen hat. Der Mord an der jungen Frau aus Lübars war nach allem, was die Ermittler herausgefunden haben, monatelang geplant. Geplant von Menschen, denen Christin R. vertraute, mit denen zusammen sie ihr Leben leben wollte.

Was in der Nacht zum 21. Juni 2012 auf dem Parkplatz gegenüber dem Freibad Lübars endete, hatte seinen Anfang auf einem idyllisch gelegenen Reiterhof in Brandenburg. Pferde, die so viel Auslauf haben, wie sie wollen, drum herum nur Wälder und Stille. So perfekt ist das Idyll, dass sogar der Schäferhund des Hofes ganz friedlich gestimmt ist. Hier hatte Christin R., die in Lübars aufgewachsen ist, vor drei Jahren ihre Ausbildung zur Pferdewirtin begonnen.

Pferde – dafür interessierte sich Christin schon als Mädchen, erzählen die Leute in Lübars. Reiten hat sie früh gelernt. Das liegt nahe in diesem Dorf am Rand Berlins. Im alten Dorfkern mit Kirche und Feuerwache liegen Pferdehöfe und Reitställe reihenweise nebeneinander an der Kopfsteinpflasterstraße. Die Reithose ist hier so verbreitet wie die Jeans.

Der Umgang mit Pferden war Christin so lieb und wichtig, dass sie das Gymnasium mit dem mittleren Schulabschluss verließ. Kein Bruch – eine Entwicklung. Wie der ganze Lebensweg von Christin R. den Eindruck einer bruchlosen Entwicklung in Lübars macht. Ihre Eltern, die zu erschüttert von dem Verbrechen sind, um mit Fremden zu sprechen, ihre Brüder, ihre Freundinnen und Freunde – alles war, wie es ist, wenn Familien intakt sind, Freundschaften sich seit Grundschulzeiten entwickelt haben und die große Stadt weit genug weg ist, damit Jugendliche nicht auf dumme Ideen kommen. Christin R. – eine junge Frau, hübsch, 1,72 groß, aufgewachsen dort, wo man viel draußen ist und Tiere mag. Weil sie zwei Brüder hatte, sei sie nicht gerade verzärtelt gewesen, sondern robust, hört man, lustig, auch feierfreudig. „Fröhlich und ausgelassen“, sagt jemand, der sie gut kannte.

Es wurde noch besser für die junge Frau, die auf dem Pferdehof in Brandenburg ihr Hobby zum Beruf machte, als Robin H. dort erschien – ein großer junger Mann, 23 Jahre alt, ein freundliches offenes Gesicht, blaue Augen. Und natürlich Reiter. Dressur- und Springreiter, turniererfahren. Und wie Christin R. einer, der das Reiten zum Beruf gemacht hatte. Christin R. verliebte sich in Robin. „Total verknallt“ sei sie gewesen, sagt jemand, der sie damals erlebte. Richtig glücklich habe sie gewirkt: Sie arbeitete mit dem Mann zusammen, den sie liebte. Und sie machte Pläne mit ihm.

Anders als Christin R. hatte Robin H. allerdings sehr hochfliegende Pläne. Robin H. hatte das Reiteridyll im brandenburgischen Wald mit dem Willen betreten, es sich anzueignen – gemeinsam mit seiner Mutter Cornelia H.

Große Gesten, weit ausholende Armbewegungen, um zu zeigen, was wo gebaut und angelegt werden solle und was man mit dem Hof vorhabe: Daran erinnert sich der Mann, von dem Robin H. den Hof kaufen wollte. Acht Fohlen habe er gleich mitgebracht, zum Zureiten und Verkaufen. Damit kannte Robin H. sich aus. „Die Handwerker warten schon“ – diesen Satz von Cornelia H. hat der Mann vom Pferdehof noch im Ohr. Ein bisschen arrogant hätten die beiden gewirkt, Sohn und Mutter, sagt der Mann. Er sieht Robin H. noch vor sich, als er sich den Leuten vorstellte, die Pferde auf dem Hof stehen haben: mehr liegend als sitzend in einem Stuhl, ganz hingegossene Lässigkeit, die Pose des Juniorchefs, die besagt: Ich darf das.

Robin H. und seine Mutter dachten weiter, und es wurde abgründig

Der Mann hat mit Robin und Cornelia H. keine besonders guten Erfahrungen gemacht. Der Verkauf platzte, weil die H.s nicht zahlen konnten. Zurück blieben Ärger und vorschnell abgerissene Mauern.

Einer, der ganz hoch hinaus wollte, gemeinsam mit seiner Mutter, für die er der Größte war: So sehen die beiden im Rückblick aus. Und Christin R. mit dabei, Teil des Zukunftsplanes „eigener Reiterhof“.

Nachdem Cornelia H. und Robin den Reiterhof im Wald hatten räumen müssen, suchten sie ein neues Objekt. Sie fanden es im Oktober 2011 in Wutzetz im Havelland, weit westlich von Berlin, und pachteten es. Noch so ein Idyll, modern ist bloß die Starkstromüberlandleitung. Eine Handvoll Häuser um den „Dorfring“ herum. „1889“ steht auf der Fassade des Hauses, in dem Christin R. mit Robin und Cornelia H. jetzt lebte, im Garten ein Birnbaum und eine Kastanie. „Völlig zurückgezogen“ hätten die neuen Nachbarn gelebt, sagt der Mann aus dem Haus nebenan.

Irgendwann in dem Winter, der nun folgte, haben Christin R., Robin H. und Cornelia H. zusammen darüber nachgedacht, wie sie den Hof kaufen könnten. Christin und Robin schlossen wechselseitig Risikolebensversicherungen ab, die sie einer Bank als Sicherheit für einen Kredit anbieten konnten. Christin besprach das mit ihren Eltern, das haben die Ermittlungen ergeben. Die Eltern hätten zugestimmt, heißt es – sie mochten Robin. Man kam so gut miteinander aus, dass man Weihnachten zusammen feierte.

Doch Robin H. und seine Mutter dachten weiter, und nun wurde es abgründig: Mutter oder Sohn – sie oder er muss gedacht haben: Was wäre, wenn Christin ums Leben käme? Dann wäre ein hoher sechsstelliger Betrag von der Versicherung fällig, viel Geld für die Zukunft. Die Mutter oder der Sohn? Sie haben es nicht nur gedacht, sie müssen auch geredet haben über einen schrecklichen Plan, über den gewaltsamen Tod der jungen Frau, mit der zusammen sie unter einem Dach lebten. Und was, wenn man den Plan noch steigern könnte, indem man weitere Versicherungen auf Christin R.s Leben abschloss – ohne ihr Wissen? Insgesamt acht Versicherungen sollen, das ist der Stand der Ermittlungen, im Namen von Christin R. zugunsten von Robin H. abgeschlossen worden sein. Höchstens zwei Verträge hat sie selbst unterschrieben.

Dass Mutter und Sohn dachten, damit durchzukommen, frappiert die Ermittler. Versicherungsfachleute sagen außerdem, das Abschließen von Lebensversicherungen ohne Kenntnis des Versicherten sei auch mit gefälschten Unterschriften nicht lange geheim zu halten. Denn die Versicherer seien verpflichtet, die Versicherten regelmäßig über den Stand der Verträge zu informieren. Aber so weit haben Robin H. und seine Mutter wohl nicht gedacht.

„Im Zentrum steht immer die Beute“, sagt ein Kriminalitätsforscher, der sich auskennt mit den Abgründen in der Menschenseele und den Motiven der Verbrecher. Er will hier nicht namentlich zitiert werden, weil er den Fall, aber nicht die Ermittlungsakten kennt. Wenn erst mal das Geld winke, sagt der Mann, dann entwickelten Leute eine „enorme Feindseligkeit“ auch Menschen gegenüber, mit denen sie Tisch und Bett teilen. Sei jemand „zum Opfer gekürt“, dann werde er „heimtückisch, schnöde und böse“ behandelt. Dass ausgerechnet die Schwiegertochter in spe zum Opfer bestimmt wurde, passt womöglich gut zu der Beziehung zwischen Cornelia H. und ihrem Sohn. Leute, die beide zusammen erlebten, sagen, die Mutter habe vom Sohn geglaubt, er habe „unwahrscheinlich was drauf“. Was die Frauen anbelangte, galt für die Mutter, ihr Sohn „kriegt jede“. Ein „Muttersöhnchen“ sei er, so ein Ermittler.

Noch wissen die Ermittler nicht, ob Cornelia oder Robin H. Urheber des Mordkomplotts gewesen ist. Aber sie sind einigermaßen erschüttert davon, wie „extrem abgebrüht, brutal, widerwärtig“ – so sagt es einer – Mutter und Sohn den Plan verfolgten.

Christin R. war misstrauisch und bat eine Freundin, sie zu begleiten

Urplötzlich, ohne jede Warnung und von hinten kommend stach Cornelia H. mit einem Messer Christin in den Rücken. Es war der Ostermontag, die ältere Frau und die Lebenspartnerin ihres Sohnes waren allein zu Haus. Christin R. wehrte sich, entwand Cornelia H. das Messer. Sie fuhr ins Krankenhaus. Dann zog sie zurück zu ihren Eltern in Lübars. Sie kündigte. Und sie erstattete Anzeige gegen Cornelia H. Die wusste angeblich nicht mehr, was da bei der Messerattacke über sie gekommen war. Den Brandenburger Schutzpolizisten soll sie gesagt haben, sie sei psychisch verwirrt gewesen und habe nicht gewusst, was sie tat. Die glaubten ihr wohl; festgenommen wurde Cornelia H. jedenfalls nicht.

Robin hatte das Osterwochenende in Dorsten in Nordrhein-Westfalen verbracht, wo er noch eine Wohnung hatte, und Geld mit der Reiterei zu verdienen versuchte. Nicht nur das. An diesem Wochenende war er nach allem, was die Ermittlungen ergeben haben, mit einer anderen jungen Frau zusammengekommen, mit Tanja L. aus Dorsten.

Auch Tanja, der Neuen, hat Robin H. offenbar eine große Zukunft versprochen, mit Pferden und einem eigenen Hof. Und er gewann Tanja für einen Versuch, Christin R. ums Leben zu bringen. Davon wissen die Ermittler nur, weil Tanja L. von sich aus gestanden hat, sie habe versucht, Christin R. mit K.O.-Tropfen zu vergiften. Das geschah bei einem Treffen irgendwann im Frühjahr, bei dem ein Pferdeverkauf besprochen werden sollte. Christin R. überlebte, weil sie nicht viel von dem Getränk zu sich nahm, in das Tanja L. die Tropfen gekippt hatte.

Christin R. suchte jetzt in Lübars einen neuen Job, und sie traf alte Freundinnen und Freunde wieder. Sie sah Robin nur noch, wenn sie nicht allein mit ihm und seiner Mutter war. Offenbar fühlte sie sich hin und hergerissen zwischen Robin und der schlimmen Erfahrung mit dessen Mutter. War sie naiv? Unentschlossen, vielleicht verunsichert. Und „misstrauisch“ sei sie gewesen, hört man in Lübars. Aber immer noch hat sie an Robin H. und an der Idee von einer gemeinsamen Zukunft wohl zu sehr gehangen, um sich von ihm zu trennen – zumal er nach dem Messerangriff Cornelia H.s angeblich so tat, als wäre er erschüttert über das, was seine Mutter seiner Freundin angetan hatte.

So misstrauisch war Christin R. jedenfalls, dass sie eine Freundin bat, sie zu begleiten, als sie am Abend des 20. Juni von Tanja L. um ein Treffen gebeten wurde. Der Verkauf eines Pferdes sollte perfekt gemacht und mit ein bisschen Sekt gefeiert werden. Aber Tanja L. war, wie die Ermittler herausgefunden haben, nicht allein gekommen. Im Gebüsch, das den Parkplatz am Freibad Lübars umgibt, hatte sich Steven M. versteckt, ein Bekannter von Tanjas Bruder Sven. Steven hatte sich angeblich bereit erklärt, für eine Anzahlung von 1000 Euro Christin R. zu erwürgen. Weitere 50 000 Euro sollen ihm versprochen worden sein, mindestens. Auch wenn Robin H. und seine Mutter bei dem Treffen nicht dabei waren – „alle fünf haben gewusst, worum es geht“, so ein Ermittler.

Der Parkplatz am Strandbad Lübars ist ein düsterer Ort. Drei alte Laternen beleuchten die schmale Straße Am Freibad. Weil Christin R. nicht allein zum Treffen mit Tanja L. kam, blieb Steven M. in seinem Versteck. Christin und ihre Freundin fuhren bald wieder. Etwa eine Stunde später rief Robin H. Christin an: Er sei jetzt auf dem Parkplatz und bitte sie, noch mal zu kommen. Christin R. kam. Man trank Sekt. Dann griff Steven M. sie an und erwürgte sie.

Angesichts der toten jungen Frau, die da unter Ahornbäumen und Büschen lag, vermutete einer der Ermittler zunächst eine „Beziehungstat“. Dann aber stießen die Ermittler auf Geldprobleme von Robin H., prüften Handyverbindungen, und so kamen sie auf ein Tötungsdelikt mit dem Motiv Gier und dem Tatmerkmal Heimtücke. Ein paar Tage nach dem Mord kamen Robin und Cornelia H., außerdem Tanja L., ihr Bruder Sven und Steven M. in Untersuchungshaft. „Wie die so dumm sein konnten zu glauben, dass sie damit durchkommen“, sagt ein Ermittler. Und ein Bekannter von Christin R. sagt traurig: „Wäre es ein ‚Tatort’, würde man abschalten“ – die Geschichte wäre zu abstrus. Aber es war mörderischer Ernst.

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