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Berlin: Mordanschlag unter alten Freunden

Sie kannten sich seit Jahren: Schmitz, seine Ex-Freundin und ihr Neuer. Doch plötzlich drehte der Rentner durch

Auf dem Fußabtreter mit Hundemotiv und der Holzschwelle vor der Wohnungstür kleben Sonntagmittag große dunkle Bluttropfen, auch im Flur sind sie und im Wohnzimmer der kleinen, vollgestellten Zwei-Zimmer-Wohnung. Sessel und Couchtisch hatten die Sanitäter hastig zur Seite gerückt, um das Leben von Gertraude T. zu retten. In der Schleiflackschrankwand dahinter steht eine Fotografie eines kleinen Mädchens mit blonden Haaren, daneben einige Holzfiguren, vielleicht ein Mitbringsel aus einem Afrika-Urlaub. Die Küche ist blitzt vor Sauberkeit, die Küchenutensilien stehen in Reih und Glied rechts von der Kaffeemaschine; auch im Schlafzimmer zur Straße raus 50er-Jahre-Mobiliar.

Rudolf Schmitz hatte am Samstagabend an der Tür des Reihenhauses an der Tempelhofer Germaniastraße geklingelt. Wolfgang E. öffnete die Tür seiner Hochparterrewohnung. Er schöpfte keinen Verdacht, man kannte sich schließlich. Schmitz hatte 26 lange Jahre mit Gertraude T. zusammengelebt. Vor einem halben Jahr war sie zu Wolfgang E. gezogen. E. also öffnete die Tür, und Rudolf Schmitz schoss ohne eine Sekunde zu zögern seinem 66 Jahre alten Nebenbuhler ins Gesicht. Rudolf Schmitz, selbst 64 Jahre alt, stieg über E. hinweg, der im engen Wohnungsflur zu Boden gestürzt war, ging drei Schritte ins Wohnzimmer und schoss auf Gertraude. Er traf sie mehrfach in Brust und Bauch. Das Eifersuchtsdrama am Samstagabend gegen viertel elf dauerte nur Minuten.

Wieso der 64-Jährige erst nach einem halben Jahr Trennung von Gertraude durchdrehte, weiß die Kripo nicht. „Das war unbedingter Tötungswille“, sagte ein Ermittler.

Wo sich Rudolf Schmitz jetzt aufhält, ist im Augenblick unbekannt. Noch in der Nacht drang ein Spezialeinsatzkommando mit Gewalt in seine Wohnung am Blumenweg, ebenfalls in Tempelhof, und in seine Gartenlaube in der Kolonie am Hafen Lankwitz ein – vergeblich. Schmitz ist verschwunden.

Gertraude T. schwebte trotz sofortiger Notoperation gestern Abend noch in Lebensgefahr. Wolfgang E. liegt mit schweren Gesichtsverletzungen im Krankenhaus, auch ihn konnte die Kripo am Sonntag nicht vernehmen. Kurt nach der Tat war er noch in der Lage, die Feuerwehr zu rufen und den Täter zu benennen. Am Tatort sicherten Beamte zwölf Stunden später noch Spuren.

Die drei Rentner kannten sich seit vielen Jahren, spielten Skat zusammen oder würfelten. Auch noch, als sich Gertraude T. und Rudolf Schmitz nach so langen Jahren getrennt hatten. Ein Zeichen, dass die beiden nicht im Streit geschieden waren. Schmitz ließ Gertraude T. auch in dem halben Jahr nach der Trennung mit seinem grauen 190er Merzedes fahren. Er selbst fuhr nicht mehr Auto, sagte ein Ermittler. Trotzdem ließ die Polizei in der Nacht den Wagen von dem Parkplatz vor der Haustür abschleppen.

Mit der Polizei hatten die drei Rentner nie zu tun – bis Sonnabend. Wolfgang E. sei ein höflicher, zuvorkommender Mensch gewesen, nie habe es Lärm gegeben, sagt Nachbar K. im 2. Stock. Die Frau von Herrn E. sei vor einigen Jahren gestorben, weiß Herr K. noch. Ende der neunziger Jahre meldete Wolfgang E. das Telefon auf sich um, bis dahin hatte seine Frau Margarete im Telefonbuch gestanden. Dann lebte Wolfgang E. alleine, auch sein Schäferhund ist lange tot.

„Man hat sich im Haus guten Tag gesagt, aber nicht mehr“, sagt Mieter K., und Frau L, die Rentnerin aus dem 1. Stock, sagt gar nichts, außer, dass sie mit dem ganzen Trubel nichts zu tun haben will. Es ist ein ruhiges Haus, hier wohnen ältere Leute, viele schon seit Jahren. Im Treppenhaus gedeihen Pflanzen in der Südsonne, der rote Läufer ist abgetreten. Besonders beliebt ist die Gegend in dem Industriegebiet nicht. Die Autobahnabfahrt Oberlandstraße ist nur wenige Meter entfernt.

Wieso diese Bluttat? Wohin ist Rudolf Schmitz geflohen? Woher hatte er die Waffe? Bernhard Jaß, Leiter der 8. Mordkommission weiß das alles nicht. Eines wissen Kriminalisten aber: Menschen, die keine kriminelle Erfahrung haben und nach Jahrzehnten normalen Lebens plötzlich eine Bluttat begehen, wissen nie, wohin. In seine Wohnung oder die Laube kann Schmitz nicht. Dort wartet die Kripo. Die meisten Täter stellen sich nach ein oder zwei Tage, so die Erfahrung. Andere halten das Getane nicht aus und bringen sich um. Im Polizeibericht steht: „Es ist anzunehmen, dass Schmitz die Tatwaffe weiterhin bei sich führt und eine Gefahr für sich und andere darstellt.“

Schmitz ist 1,65 Meter groß und schlank. Hinweise unter 699 327 181.

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