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Motorradstaffel der Polizei Berlin: West-Berliner Kuriosität vor dem Aus

Auf ihren Motorrädern zeigten sie seit 59 Jahren ihre Show: Nun droht der Motorradstaffel der Polizei in Berlin das Aus. Ein Unternehmer könnte die letzte Rettung sein.

Es knatterte immer mächtig, wenn die Motorradsportgruppe der Berliner Polizei auf die Piste ging. Die handgelöteten Stahlgestelle bogen sich, die nahezu antiken Maschinen rollten langsam vorwärts, die Zuschauer bangten wohlig. In Sachen Kopfstandpyramide, Fünfer-Karussell, Geisterkrad oder Balance mit angehobenem Seitenwagen hielten die Männer in den grünen Lederkombis alle Rekorde, was allerdings auch damit zusammenhing, dass ihre Art der Motor-Artistik in der Welt draußen nicht sehr intensiv nachgeahmt wurde. Für viele Zaungäste war die Gruppe eine West-Berliner Kuriosität, über die die Zeit hinweg gegangen war. Gibt’s die etwa noch? Offenbar nicht mehr, denn die Polizei wickelt sie gegenwärtig ab, 59 Jahre nach der Gründung.

1994 bei „Wetten, dass...?“ waren 84 Mann auf neun Maschinen

Dies war jedenfalls der Sachstand am Donnerstagmittag. Dann meldete sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP) mit der Mitteilung, der Unternehmer Hans Wall habe finanzielle Unterstützung zugesagt, um den Bestand der Truppe zu sichern. Dazu gab es aber weder eine Bestätigung noch eine Stellungnahme der Polizei, ob dies überhaupt in Betracht komme. Es geht um ein, wie es in einigen Nachrufen heißt, „Aushängeschild“ der Berliner Polizei, und es geht um 150 000 Euro jährlich. Aber es ist so ähnlich wie beim Polizeiorchester und der Reiterstaffel: Traditionspflege ohne erkennbaren Gewinn an Sicherheit wird aus dem Landeshaushalt nicht mehr finanziert.

Die betreffende Summe wurde von Polizeisprecher Stefan Redlich genannt. Er sagte, dieses Geld lasse sich an anderer Stelle besser einsetzen. Geldmangel und Überalterung des Fuhrparks sind auch der Grund dafür, dass der letzte Auftritt liegt auch schon über ein Jahr zurück liegt.

Die stete Streben der Gruppe bestand von Anfang an darin, möglichst viele Polizisten auf möglichst wenig Motorrädern unterzubringen und das Ganze dann herumfahren zu lassen, vorwiegend im Kreis. 1994 bei „Wetten, dass...?“ waren es 84 Mann auf neun Maschinen, 1998 46 Männer und vier Frauen auf nur einer, und das auf einer Strecke von 57 Metern – zwei Weltrekorde.

Cartoonist Gerhard Seyfried ließ die Hobbyartisten drastisch scheitern

Die Truppe gehörte zum festen Inventar sämtlicher Festveranstaltungen der Polizei, vor allem der zu Mauerzeiten höchst beliebten „Polizeischau“, die im Olympiastadion und später in der Deutschlandhalle stattfand. Aber auch im Ausland zeigte man sich gern, schaffte mehr als tausend Auftritte auch in Japan, Südafrika und den USA.

Das Aushängeschild hatte allerdings zwei Seiten: Wer nicht so im Reinen war mit der Polizei im geteilten Berlin, der fand auch die Motorradpyramiden eher unfreiwillig komisch; der Cartoonist Gerhard Seyfried machte sich in seinen Zeichnungen gern über die Hobbyartisten lustig und ließ sie wiederholt ziemlich drastisch scheitern. In der Realität dagegen ging immer alles gut, denn Hauptkommissar Georg Franke, Chef und Moderator der Truppe 1957 bis zuletzt, heute 80 Jahre alt, legte Wert auf Sicherheit.

Anders als beim schon abgewickelten Polizeiorchester handelte es sich bei den Motorrad-Akrobaten nicht um Profis, aber die Gruppe war auch kein Ableger der Verkehrspolizei. In ihr kamen Polizisten aus allen Abteilungen der Polizei zusammen, die normalen Dienst verrichteten. Verdienen ließ sich damit nichts: Bezahlt wurden ihre Auftritte vom jeweiligen Veranstalter.

Das Polizeiorchester ist untergegangen, die Polizeipferde fristen ihr Gnadenbrot bei der Bundespolizei. Und die Motorradsportler? Das Ende ist noch offen.

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