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Berlin: Mudd Club

Rauchfrei tanzen kommt in Mode. Was es früher nur in Bhagwan-Discos und am besten mit Schuheausziehen gab, greift jetzt um sich.

Rauchfrei tanzen kommt in Mode. Was es früher nur in Bhagwan-Discos und am besten mit Schuheausziehen gab, greift jetzt um sich. Die Clubs Felix und Amadeus veranstalten bereits regelmäßig qualmfreie Partys. Und auch im Mudd Club in der Großen Hamburger Straße wird mittwochs nicht mehr geraucht. Ausgerechnet mittwochs, wenn vor dem Tanzen die Lesebühnen-Veranstaltung der Surfpoeten stattfindet. Wo Literatur doch traditionell ein mindestens genauso enges Verhältnis zur Zigarette hat wie die Clubkultur.

Die Lesebühne der Surfpoeten zählt zu den lustigsten Berlins. In abwechselnder Besetzung tragen die fünf Mitglieder ihre frisch fabrizierten Texte vor. Diese sind noch unveröffentlicht, behandeln vorwiegend Absurdes und Komisches. Zwischendurch legt DJ Lt. Surf „Surfmusik“ auf die Plattenteller, ab Mitternacht übernimmt er das Programm komplett. Fans von Surfgitarren kommen dann auf ihre Kosten – aber eben nur noch ohne Zigarette. Hätte man das, hätte Clubbetreiber Steve Mass das in den 80ern, als der Mudd Club neben dem Studio 54 einer der berüchtigtsten Clubs der Welt war, geahnt? Im ursprünglichen New Yorker Mudd Club konnten Jean-Michel Basquiat, Frank Zappa oder Lydia Lunch vor Zigarettenqualm bestimmt keine zwei Meter weit sehen. In seiner ersten Berliner Zeit erregte der neue Mudd Club einiges mediales Aufsehen. Die Erwartungen waren hoch, und man sah in der Neueröffnung den Beweis, dass Berlin der ehemaligen Nightlife-Hochburg New York den Rang abgelaufen hatte. Gentrifizierung und Tanzverbote hatten das New Yorker Nachtleben blass werden lassen, und das bis heute. Inzwischen ist der Mudd Club in der Masse der Berliner Clubs untergegangen. Unauffällig hat er sich zu einem Spartenclub für Surf, Indie, Country, Latinrock, Balkanbeats und Oriental entwickelt. Er zählt nicht gerade zu den maßgeblichsten, hippsten Clubs der Stadt, ist aber immer gut besucht und wird vor allem von internationalen Gästen wahrgenommen.

Dabei erstaunt nur, dass diese den Weg in den versteckten Kellerclub überhaupt finden. Unter Umständen muss man sich vor Ort durchfragen, um die steile Kellertreppe im Hinterhof zu entdecken. Aber, auch wenn es sentimental klingen mag: Wenigstens die Ankunft in dem Kellergewölbe fühlt sich in gesundheitsorientierten Zeiten wie diesen noch wie echte Subkultur an.

heute & jeden Mittwoch ab 21 Uhr Surf Poeten, Lesung bis ca. 23:30 Uhr, anschließend Disko im Mudd Club, Große Hamburger Str. 17, Berlin-Mitte, Eintritt: 3 € / Infos im Internet unter www.surfpoeten.de

Christine Lang

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