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Berlin: Müller als SPD-Chef bestätigt Wiederwahl mit

91,7 Prozent der Stimmen

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Eine unverwechselbare Ausrichtung an sozialdemokratischen Grundwerten und eine Rückbesinnung auf traditionelle Wählergruppen „jenseits einer vermeintlich neuen Mitte“: Das ist die Position, in der sich die Berliner SPD wohl fühlt und die sie gestern mit einem Parteitagsbeschluss bestätigt hat. Verbunden wurde dies mit dem Bekenntnis zu einem „handlungsfähigen und vorsorgenden Sozialstaat“, gesetzlichen Mindestlöhnen, einer armutsfesten Rente und einer leistungsfähigen öffentlichen Daseinsvorsorge „bis hin zur Re-Kommunalisierung von Aufgaben“. Die Resolution, in der die Bundes- SPD zu einer „offenen Einstellung zu allen demokratischen Parteien“ und dem Verzicht auf „formale Abgrenzungsbeschlüsse“ gegenüber der Linken aufgefordert wurde, fand eine breite Mehrheit.

Nur wenige Delegierte des rechten SPD-Flügels warnten davor, die politische Mitte freiwillig zu räumen. „Wir müssen als Volkspartei das breite gesellschaftliche Spektrum ansprechen“, sagte beispielsweise die frühere Finanzsenatorin Annette Fugmann- Heesing während der Generaldebatte. Nur so ließen sich nach ihren Worten Wahlen gewinnen.

Doch diese Meinung ist in der Berliner SPD derzeit nicht mehrheitsfähig. Mit dem Satz: „Wir wollen die Wähler der Linken mit den besseren Konzepten zurückgewinnen“, fand die Parteilinke Eva Högl jedenfalls weitaus mehr Beifall der Delegierten. Das gleiche galt für den Berliner SPD-Bundestagsabgeordneten Swen Schulz, der eine Lanze für Rot-Rot über Berlin hinaus brach. Wer in der Partei immer noch behaupte, die Linken seien „die Schmuddelkinder, mit denen sprechen wir nicht, verbreitet eine vollkommen falsche Botschaft“, sagte er.

Zuvor hatte der SPD-Landeschef Michael Müller mit einer Rede, in der er die Grundwerte der Sozialdemokratie warm beschwor, den Parteitag begeistert. „Mit der tollen Rede hat er den Delegierten aus der Seele gesprochen“, lobte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der einen roten Verdi-Anstecker am Revers trug.

Zuerst reichte Müller den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes die Hand, die in Berlin für höhere Gehälter streiten. „Wir haben natürlich Verständnis für die Forderungen der Kollegen!“ Er hoffe sehr, dass auf der Grundlage von Einmalzahlungen und einem „guten Sockelbetrag“ bald ein Tarifabschluss zustande komme. Die Abgrenzungsdebatte gegen Rot-Rot in Teilen der Bundes-SPD nannte Müller „abstrus“, und er kritisierte noch einmal heftig den Beschluss für die Bahnprivatisierung. Und: Die Solidarität sei der Grundwert der Sozialdemokratie. Die Genossen schenkten dem SPD-Chef minutenlang Applaus. Später wurde Müller wurde mit dem Rekordergebnis von 91,7 Prozent wieder gewählt.

Die Neuwahl seiner Vorstandskollegen bestätigte dann ebenfalls das Profil der Berliner Sozialdemokraten. Die Vertreter des linken Mehrheitsflügels setzten sich dann bei der Wahl der Stellvertreter und der Beisitzer mit großen Mehrheiten durch. Auch in der Sache wurden Positionen bezogen, mit denen die SPD ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber der Linken verbessern will: Angefangen von einem Antrag zur Wiederverstaatlichung der Bundesdruckerei über die Forderung nach geringeren Klassenfrequenzen in sozial belasteten Stadtteilen und bei hohem Anteil von Schülern nicht-deutscher Herkunft bis zum Vorschlag für ein kostenloses Schul- und Kitaessen. Beschlossen wurde auch die Forderung nach höheren Regelsätzen für Hartz-IV-Empfänger. Außerdem bekannte sich der Parteitag zur doppelten Staatsangehörigkeit und zur Wiedereinführung einer Zweistunden-Fahrkarte für die BVG mit Rückfahrmöglichkeit.

Hart gerungen wurde über die Frage, ob die Besetzung der bezirklichen Stadtratposten künftig nicht mehr nach dem Parteienproporz (Stärkeverhältnis der Fraktionen), sondern durch politische Koalitionen in den Bezirksverordnetenversammlungen („politisches Bezirksamt“) erfolgen soll. Der SPD-Vorstand hatte kompromissweise vorgeschlagen, wenigstens die stärkste Oppositionsfraktion an der Arbeit im Bezirksamt zu beteiligen. Das Ergebnis der Abstimmung stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest. Ulrich Zawatka-Gerlach

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