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 SPD-Trio: Raed Saleh, Michael Müller und Jan Stöß kämpften um das Amt des Bürgermeisters.

© dpa/picture-alliance

Müller, Saleh und Stöß: Rangeleien im SPD-Führungstrio

Sie kämpften um das Rote Rathaus, nun zerfällt das Trio der Berliner SPD. Michael Müller hat die ganze Macht, Raed Saleh erstarkt in der Fraktion. Nur Parteichef Jan Stöß steht zunehmend allein.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

So geht es nicht weiter, das weiß Jan Stöß. Der SPD-Landeschef braucht möglichst bald ein gewichtiges Amt oder Mandat, um in der eigenen Partei noch ernst genommen zu werden. Auf der Fraktionsklausur der Sozialdemokraten in Leipzig vor einer Woche frotzelten schon einige Genossen: „Der Jan kann ja das neue Willkommensamt leiten.“ Gemeint ist die Berliner Ausländerbehörde, die nach dem Willen der SPD der Integrationssenatorin Dilek Kolat zugeschlagen werden sollte.

Die CDU lehnt das ab und der Personalvorschlag ist sicher nur ein Spaß. Aber Stöß, der selbst über einen feinen Humor verfügt, kann es sich auf keinen Fall leisten, zur innerparteilichen Witzfigur zu werden. Das wäre das Ende seiner politischen Karriere. Im Kampf um das Amt des Regierenden Bürgermeisters unterlag er im Herbst 2014 dem Kontrahenten Michael Müller. Zwar wurde Stöß im letzten Frühjahr als SPD-Landeschef wiedergewählt, aber nur von 69 Prozent der Delegierten. Er gehört noch dem SPD-Parteivorstand an und ist Metropolenbeauftragter der Bundespartei, aber das reicht nicht aus, um sich bei den Parteifreunden in Berlin wirklich unverzichtbar zu machen.

Müller und Saleh kooperieren professionell

Stöß wäre auch der erste Berliner SPD-Vorsitzende seit 1945, der ohne ein Regierungsamt oder ein Mandat im Bundestag oder Abgeordnetenhaus auskäme. Die Funktion des Parteichefs ist nur ein Ehrenamt, das für sich genommen sehr begrenzte Kraft entfaltet. Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat es da besser, obwohl er 2014 schmerzhafte Niederlagen erlitt. Erst scheiterte Saleh bei dem Versuch, den ehemals engen Verbündeten Stöß als SPD-Landeschef abzulösen. Dann verlor auch er im parteiinternen Wettbewerb gegen Müller. Aber jetzt kommt der ehrgeizige und hartnäckige Fraktionsvorsitzende allmählich wieder in Schwung. In der eigenen Fraktion ist er unangefochten und mit dem Regierenden Bürgermeister Müller ist Saleh zwar nicht so eng verbandelt wie am Schluss mit Klaus Wowereit, aber beide managen die Regierungsarbeit in geschäftsmäßiger Freundlichkeit professionell.

Das ist der große Unterschied: Müller verlässt sich auf Saleh, auch wenn sie nicht immer einer Meinung sind. Er hält ihn für loyal. Aber dem SPD-Chef Stöß traut er nicht über den Weg und hält ihn kühl auf Distanz. Seit seiner Nominierung als Regierender Bürgermeister hat Müller deutlich gemacht, dass er die Inhalte und Regeln des Wahlkampfs 2016 bestimmen wird. Er steht damit nicht allein. Auch Saleh will nicht nur das tägliche Regierungsgeschäft dominieren, sondern mithilfe der SPD-Fraktion auch maßgeblichen Einfluss auf das sozialdemokratische Wahlprogramm nehmen. Zum Beispiel bemüht sich Saleh darum, die Berliner SPD auf eine pragmatisch orientierte Integrations- und Bildungspolitik einzuschwören. Das sind Themen, die den Wahlkampf 2016 durchaus bestimmen könnten. Die Fraktionsklausur zu Integration und Flüchtlingsproblemen erfüllte genau diesen Zweck. Für den Migranten aus dem Westjordanland ist Integration und Aufstieg durch Bildung nicht nur Herzenssache, er will damit auch Punkte sammeln. In der Partei und bei den Bürgern. Sein strategisches Ziel, das ihn mit Müller eint: Die Berliner SPD wieder mehr in die bürgerliche Mitte führen.

Stöß bemüht sich um einen Wahlkreis - bislang ohne Erfolg

Das ist eine Kampfansage gegen Stöß, den Vertreter der bekennenden SPD-Linken. Dem Parteichef könnte das egal sein, wenn die Mehrheit im Berliner SPD-Landesverband, die traditionell links gestrickt ist, wirklich hinter ihm stünde. Aber viele Genossen haben inzwischen die Erfahrung gemacht, dass Stöß gern mit dem Kopf durch die Wand will und gnadenlos taktiert, wenn es um die Sicherung seiner eigenen Positionen geht. „Der Jan will alles oder nichts“, sagt ein Parteifreund. Hätte er sich beispielsweise mit dem Job des Finanzsenators begnügt und Saleh das Rote Rathaus überlassen, so hört man im SPD-Landesverband, wäre Müller voraussichtlich nicht Regierender Bürgermeister geworden. Aber das ehemalige Bündnis der beiden jüngeren Leitfiguren, durch das Müller 2012 den SPD-Landesvorsitz verlor, ist aufgekündigt.

Also muss Stöß versuchen, aus eigener Kraft wieder Tritt zu fassen. Seit Monaten bemüht er sich um einen guten Wahlkreis, um 2016 ins Abgeordnetenhaus einziehen zu können. In Friedrichshain-Kreuzberg, seinem Heimatbezirk, ist offenbar kein Platz an der Sonne frei, die Gespräche mit dem SPD-Kreisverband Mitte laufen noch. Doch fragen sich Parteifreunde, was Stöß im Landesparlament eigentlich will. Etwa Fraktionschef werden? Saleh sitzt dort sicher im Sattel. Und solange Müller Regierungschef ist, darf Stöß auch nicht mit einem Senatsposten rechnen. Es bliebe die Möglichkeit, im Herbst 2017 in den Bundestag einzuziehen. Aber das ist lange hin und die Chancen auf einen aussichtsreichen Listenplatz sind eher mäßig.

Also bleibt ihm vorerst nur übrig, für den SPD-Spitzenkandidaten Müller den bevorstehenden Wahlkampf organisatorisch vorzubereiten. Als politischer Dienstleister, dem Strategie und Programmatik durch Befragungen der Parteibasis, Beschlüsse der Fraktion und Konzepte professioneller Wahlkampfagenturen großenteils vorgegeben werden. Wenn Stöß damit nicht klarkommen sollte, droht ihm spätestens nach der Abgeordnetenhauswahl 2016 der Verlust des Parteivorsitzes. So jedenfalls geht es nicht ewig weiter.

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