zum Hauptinhalt

Berlin: Müllers Antritt, Strieders Abschied

Die Berliner SPD hat einen neuen Chef – und verlangt nach neuen Inhalten

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die Stimmung war nicht überschwänglich, aber hoffnungsvoll. Die neue Hoffnung verkörpert Michael Müller, der gestern auf dem SPD-Landesparteitag mit 88 Prozent der Stimmen zum Vorsitzenden gewählt wurde. Für Vorgänger Peter Strieder, der im Zuge der Tempodrom-Affäre zurückgetreten war, gab es eine Laudatio der ehemaligen Bundesministerin Christine Bergmann, einen Blumenstrauß und stürmischen Applaus. Als Abschiedsgeschenk bekam Strieder zwei Karten für „Eine linke Geschichte“ im Grips-Theater. Die Politik habe ihm „viel Freude gemacht“, sagte er in einer kurzen Rede. Er sei stolz, Vorsitzender der Berliner SPD gewesen zu sein. „Euch alles Gute – und jetzt bin ich wieder einfaches SPD-Mitglied.“

Klaus Uwe Benneter, der Generalsekretär der Bundes-SPD, kam nicht so gut weg. Er verteidigte den Kurs der Bundespartei, warnte vor „Weltuntergangsgerede und dem Gequatsche um Personen“. Das kam nicht gut an. Vom Juso-Landeschef Fabian Schmitz musste sich Benneter vorhalten lassen, dass er mindestens 35 Mal das Wort „zukunftsgerechte Politik“ verwendet habe. Eine solche Politik lasse sich aber nicht herbeireden. In der folgenden Debatte wurde viel über die „Vertrauenskrise“ der SPD geredet, und dass die Politik der Bundesregierung nicht nur ein „Vermittlungsproblem“ sei. Es gehe eben auch um neue Inhalte.

Die Sehnsucht nach einer Kurskorrektur nahm Müller in seiner Rede auf: „Wir müssen neue Akzente setzen.“ Die Berliner SPD dürfe nicht mehr „ausschließlich über finanzpolitische Themen wahrgenommen werden“. Ohne Tabus zu sparen, sei nicht der richtige Weg. Wenn er auf Elternabende gehe, klopfe ihm niemand auf die Schulter und sage: „Mensch, Müller, das habt ihr aber doll gemacht, so was Schönes beschlossen und sogar die Mittel sind da.“ Nein, das Gegenteil sei der Fall. Die rot-rote Senatspolitik müsse für die Bürger positiv erlebbar werden. Zum Beispiel werde es 2005 wieder ein BVG-Sozialticket geben. „Wir brauchen dringend Veränderungen.“

Der Parteitag machte gestern den Anfang. So wurde beschlossen, dass „öffentliche Betriebe der Daseinsvorsorge“, dazu gehören die Wasserbetriebe, BVG und Vivantes, nicht verkauft werden sollen. Über Studiengebühren und die mögliche Senkung der Kitagebühren wird ein Bildungsparteitag im Herbst 2004 entscheiden. Über neue Konzepte für das Quartiersmanagement und die „soziale Stadt“ soll eine Parteikonferenz diskutieren. Nutzungsgebühren für öffentliche Parkanlagen wurden abgelehnt.

Die SPD will auch wieder „einen Schritt auf die Gewerkschaften zugehen“, kündigte der neue Landeschef Michael Müller an. Allerdings spielten die Lehrergewerkschaft GEW und die Gewerkschaft der Polizei mit ihrem Volksbegehren gegen Rot-Rot mit dem Feuer.

Müllers Rede wurde von den Delegierten wohlwollend aufgenommen. Seine Kandidaten für den SPD-Landesvorstand, mit denen er personell den Neuanfang signalisieren wollte, akzeptierte der Parteitag. Als neue stellvertretende SPD-Landesvorsitzende wurden die Bezirkspolitiker Christian Hanke und Marc Schulte sowie die Haushaltsexpertin Iris Spranger gewählt. Ex-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing, wurde mit knapper Mehrheit als Vize-Landeschefin bestätigt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false