zum Hauptinhalt
Späßchen der Legende. Muhammad Ali und seine Tochter Laila.

© dpa

Muhammad Ali in Berlin: Nur der Vater war auf Laila Alis Seite

Die Boxerin Laila Ali kämpfte 2005 in der Schmeling-Halle in Berlin, ihr Vater saß in der ersten Reihe. Laila Alis Sieg war umstritten, aber von der Box-Legende gab es einen Kuss.

Sie hing über den Ringseilen, ausgepumpt, erschöpft. Eine Siegerin, die sich festhalten musste. Das war die raue Wirklichkeit. Sie konnte jetzt keine Rolle spielen, nicht in dieser Sekunde. Die Rolle als großmäulige Weltmeisterin hatte sie vorher gespielt, vor dem Kampf, vor den Journalisten. Denen schleuderte sie den Satz entgegen: „Ich will ihr Blut auf meinen Handschuhen sehen.“ PR-Getöse, das übliche Wortgeklingel im Boxen, auch im Frauen-Boxen.

Aber alles was Laila Ali in der Berliner Max-Schmeling-Halle an diesem Dezembertag im Jahr 2005 sah, waren in den ersten vier Runden die Handschuhe von Asa Sandell, die immer wieder auf ihren Körper prallten. So hatte sich Laila Ali, die dreimalige Weltmeisterin im Supermittelgewicht, unbesiegt in 21 Kämpfen, K.o.-Siegerin gegen 18 Gegnerinnen, diesen Kampf nicht vorgestellt. Ihr Duell, das war Teil des Vorprogramms des Schwergewichts-Weltmeisterschaftskampfs zwischen Nikolaj Walujew (Russland) und John Ruiz (USA). Walujew gewann diesen Kampf nach Punkten.

Erst in der fünften Runde dreht die 27-Jährige auf, da deckte Laila Ali ihre Gegnerin aus Schweden  mit einer Serie von Schlägen ein. Nach 1:52 Minuten griff Josef Camel ein. Der Ringrichter brach den Kampf ab. Laila Ali hatte gewonnen. Über den Seilen pumpte sie nach Luft.

10.000 Zuschauer erheben sich, als Muhammad Ali kommt

Doch Sekunden später erhob sich in der ersten Reihe ein muskulöser Mann von seinem Platz, kletterte wacklig vier Stufen zum Ring empor, und dann hatte dieser Boxabend seinen zweiten dramaturgischen Höhepunkt. Muhammad Ali, der größte Boxer aller Zeiten, gezeichnet von seiner Parkinsonschen Krankheit, gab seiner Tochter einen Kuss, und die 10.000 Zuschauer klatschten begeistert. Er konnte nicht sprechen, er gratulierte Laila auf seine Weise, und sie verstand ihn. „Er hat gelächelt, er hat mich geküsst, gesagt hat er nichts, aber es war in seinen Augen zu lesen, dass er stolz auf mich ist“, wird Laila Ali später sagen. Es war die stumme Anerkennung des Mannes, der am Freitag, 3. Juni (Ortszeit) in einem Krankenhaus bei Phoenix, Arizona (USA) im Alter von 74 Jahren gestorben ist. 

Der erste Höhepunkt jenes Dezemberabends 2005 fand vor dem Kampf statt, um 22.55 Uhr. Da erhoben sich 10.000 Zuschauer ehrfurchtsvoll von ihren Sitzen, Zeichen ihres Respekts gegenüber dem Mann, der in dieser Minute auf dem Beifahrersitz eines Golfkarts in die Halle gefahren wurde. „Ali, Ali“-Sprechchöre zogen sich durch die Halle. Der Wagen blieb stehen, die Box-Legende, dreimaliger Schwergewichtsweltmeister und durch seinen Sieg über George Foreman beim Kampf „Rumble in the Jungle“ in Kinshasa (Zaire, heute Kongo) endgültig zur Legende aufgestiegen, winkte dem Publikum mit seiner rechten Hand zu. Beim Gang zu seinem Platz benötigte er Hilfe, er konnte nicht mehr allein gehen.

Ali hat in Berlin eine Friedensmedaille erhalten

Kurz zuvor war er noch im Grand Hyatt Hotel gewesen, bei einem Dinner, zusammen unter anderem mit dem Regierenden Bürgermeister. Klaus Wowereit hatte Ali die Otto-Hahn-Friedensmedaille der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen verliehen. Der Boxer wurde für sein Engagement in der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und seinen Einsatz als UN-Botschafter geehrt. Aber die Deutschland-Premiere seiner Tochter ist ihm genauso wichtig.

Laila Ali wollte aber öffentlich, zumindest in ihrer Funktion als Boxerin, nicht nur als die Tochter des Jahrhundertsportlers Muhammad Ali, gesehen werden. Sie suchte den Weg aus dem langen Schatten, aber sie fand ihn nicht. Fragen nach ihrem Vater nervten sie, aber sie kopierte dessen Sprüche, dessen Auftritte. Vollmundige, provozierende Sprüche sind Teil der Show Profiboxen, aber wenn Laila Ali die Lautsprecherin gab, wurde sie automatisch an ihrem Vater gemessen. Und deshalb konnte sie bei solchen Auftritten nur verlieren.

Laila Ali wusste, dass sie von Popularität ihres Vaters lebt

Sie hatte ihre Bedeutung schon richtig erkannt: „Wäre mein Vater nicht der Größte aller Zeiten, würde sich kein Mensch um mich scheren.“ Dann wäre auch nicht bekannt, dass sie als Zehnjährige mit dem Auto der Mutter davongebraust ist, in Straßenschlägereien verwickelt war, Autos klaute, beim Ladendiebstahl erwischt wurde und im Jugendgefängnis saß.

Aber sie ist halt die Tochter von Muhammad Ali, und deshalb war sie die erste Frau, für deren Kampf zur besten Sendezeit im TV der Zuschauer eine Extragebühr bezahlen musste. Das lag natürlich auch an ihrer Gegnerin. Jacqui Frazier ist auch eine berühmte Tochter. Ihr Vater ist Smoking Joe, Joe Frazier, legendärer Schwergewichtsboxer, 2011 verstorben. Dreimal trafen Ali und Frazier aufeinander, es waren keine Kämpfe, es waren Schlachten. Boxduelle, die Geschichte schrieben. Frazier war der Erste, der Ali besiegte. Die nächsten beiden Duelle gewann Ali.

Muhammad Alis Tochter wird ausgebuht

Bei Laila Alis Kampf in Berlin war nur ein Detail historisch. Viele Zuschauer jubelten – als die 27jährige getroffen wurde. „Dass die Leute jubeln, wenn ich getroffen werde, das ist mir noch nie passiert“, sagte Laila Ali nach dem Kampf, teils beleidigt, teils ratlos. Und viele Zuschauer hatten auch das Gefühl, dass der Ringrichter den Kampf zu früh abgebrochen hatte. Als Camel das Zeichen für das Ende gab, protestierten sie. Auch Laila Ali hätte gerne noch weitergeboxt, es ging schließlich um ihre Ehre, wenn die Leute sie ausbuhten. „Ich bin enttäuscht, dass ich den Kampf nicht so beenden konnte, wie ich das wollte“, sagte sie.

"Kämpf doch wie Muhammad"

Die schmerzhafteste Reaktion auf ihren Kampf hatte sie dabei gar nicht mitbekommen. Es war im Grunde genommen die schlimmste Anklage, die man der Tochter des größten Boxers aller Zeiten, die auf ihre Eigenständigkeit pocht, entgegen bringen konnte. Ein Zuschauer hatte geknurrt: „Kämpf doch wie Muhammad.“

Immerhin, Laila Ali beendet ihre Karriere mit einem Ausrufezeichen. Im Februar 2007 bestritt sie ihren letzten Kampf. Kurz und schmerzhaft für ihre Gegnerin. Gwendolyn O'Neil ging schon in der ersten Runde k.o.

Zur Startseite