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Anerkennung und Förderung. Das sind Grundpfeiler des Schulsystems in Toronto. Man geht davon aus, dass alle Schüler auf einem hohen Niveau lernen können, wenn man ihnen genug Unterstützung und Zeit gibt. Ein Modell auch für Berlin.

© Kitty Kleist-Heinrich

Einwanderung: Multikultureller Marktplatz

Was Berlin von Toronto lernen kann: Dort gilt Einwanderung nicht als Problem, sondern ist Normalzustand.

Zur Begrüßung gibt’s einen Stoffbeutel. Den überreicht David Nimmo, Schulleiter der Teston Village Public School am Stadtrand Torontos, jeder Familie beim ersten Treffen. In dem Beutel befinden sich Bastelmaterial, Informationsblätter über die Schule sowie zweisprachige Bücher, meist auf Englisch und Urdu. Die meisten Familien, die sich um die Schule im Neubaugebiet angesiedelt haben, sind pakistanische Einwanderer. Lange bevor das Schuljahr beginnt, laden der Rektor und seine Kollegen jene Familien zu einem Schulbesuch ein, deren Kinder demnächst in die Vorschule oder in die erste Klasse kommen werden. Sie machen ihnen deutlich, wie wichtig der regelmäßige Schulbesuch ist, betonen ihren großen Respekt für die traditionelle Kultur und Religion der Schüler und versuchen, Ängste und Vorurteile abzubauen. „Wir glauben, dass alle Schüler auf einem hohen Niveau lernen können, wenn man ihnen genug Unterstützung, Zeit und Ressourcen gibt“ sagt Nimmo.

Die kleine Schule am Stadtrand Torontos ist ein Beispiel für den typisch kanadischen, auf Anerkennung und Förderung setzenden Umgang mit Einwanderern, der in der Prognos-Studie „Eine Zukunft für Berlin“ als beispielhaft für andere von Einwanderung geprägte Metropolen gepriesen wird. Torontos Schulbehörde, heißt es da, schaffe es, „durch einen umfassenden und systematischen Integrationsansatz ungleiche Chancen und Diskriminierung aufgrund von ethnischer oder sozialer Herkunft abzubauen“.

Neben der umfassenden Förderung von Neukanadiern gibt es allerdings auch klare Forderungen an die Einwanderer. So werden die meisten Menschen, die als Arbeitskräfte nach Toronto, Vancouver oder Montreal kommen, nach Bildung, Alter und anderen für die kanadische Wirtschaft wichtigen Kriterien ausgewählt. Auch herrscht in Kanada im Gegensatz zum Wohlfahrtsstaat Bundesrepublik ein ungleich höherer Druck, in Schule und Beruf Erfolg zu haben: Sozialleistungen sind spürbar geringer und werden restriktiver vergeben.

Als weiteren wichtigen Faktor des kanadischen Erfolgs sehen die Prognos-Forscher das dort auch durch seine Geschichte stärker verbreitete Bewusstsein, eine Einwanderungsgesellschaft zu sein – bis auf die indianischen Ureinwohner hat hier jeder einen „Migrationshintergrund“. Daher wird, anders als in Deutschland, kaum je infrage gestellt dass Kanada angesichts einer stetig alternden – wenngleich im Vergleich zum deutschen Durchschnitt immer noch deutlich jüngeren – Bevölkerung sowie seit Jahrzehnten sinkenden Geburtenraten künftig noch mehr als bisher auf neue Bürger aus aller Welt angewiesen ist.

Und wenn in Umfragen oder Interviews die Kanadier mal nach Problemen in Sachen Einwanderer gefragt werden, unterscheiden sich die Antworten ebenfalls deutlich von denen in Deutschland. So sprach kürzlich der Chefökonom des Finanzkonzerns TD Bank in der Zusammenfassung einer von der Bank beauftragten Umfrage von einem „nationalen Dilemma“ bezüglich der Integration von Einwanderern. Er meinte aber nicht etwa vermeintlich mangelnde Bemühungen von Neukanadiern um ihre soziale Integration oder die im Ursprungsland des Multikulturalismus durchaus bestehenden Abschottungstendenzen einzelner Einwanderergruppen – sondern die Hürden für Fachkräfte aus dem Ausland, ihre Berufsabschlüsse in Kanada anerkannt zu bekommen.

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