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Berlin: Multiple Sklerose: Kassen verweigern MS-Medikamente

Die Krankheit beginnt mit einem Taubheitsgefühl in Füßen und Händen oder Doppelbildern vor Augen - und kann bis zur völligen Bewegungsunfähigkeit führen: Multiple Sklerose (MS). Bislang konnten zahlreiche Betroffene ihr Leid durch Medikamente lindern - doch jetzt wollen die Krankenkassen die Kosten nicht mehr übernehmen.

Die Krankheit beginnt mit einem Taubheitsgefühl in Füßen und Händen oder Doppelbildern vor Augen - und kann bis zur völligen Bewegungsunfähigkeit führen: Multiple Sklerose (MS). Bislang konnten zahlreiche Betroffene ihr Leid durch Medikamente lindern - doch jetzt wollen die Krankenkassen die Kosten nicht mehr übernehmen. Betroffen sind allein Patienten in dieser Stadt, im übrigen Bundesgebiet bezahlen die Kassen die Medikamente weiterhin, sagt Ilona Nippert, Geschäftsführerin der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft in Berlin.

"Es darf nicht sein, dass den Menschen wegen der Finanznot der Kassen Behandlungsmöglichkeiten verwehrt bleiben, obwohl viele MS-Kranke bereits positive Erfahrungen mit den Präparaten gemacht haben", kritisiert Frau Nippert. Um auf die Lage der Betroffenen aufmerksam zu machen, hat die MS-Gesellschaft am heutigen Dienstag Patientinnen, die Chefärztin der Neurologie im Jüdischen Krankenhaus, Judith Haas, sowie den niedergelassenen Neurologen Hans-Jürgen Boldt zu einem öffentlichen Fachgespräch eingeladen.

Den Patienten würden Medikamente wie das in den USA zugelassene "Mitoxantron" nun plötzlich nicht mehr bezahlt. Auch das seit dem 7. August europaweit genehmigte Präparat "Copaxone" werde Berlinern verweigert - ebenso wie die noch nicht gesetzlich zugelassenen "Immunglobulin"-Mittel.

"Wir können noch nicht wissenschaftlich abgesicherte Medikamente nicht länger tragen, zumal es kritische Einschätzungen zu Immunglobulinen etwa von der europäischen Arzneimittelagentur gibt", sagt Ulrike Faber, Pressesprecherin bei der Barmer Ersatzkasse - und in Sachen MS auch für alle anderen Kassen in Berlin. Dies habe nichts mit der Finanzlage zu tun. Man wolle vielmehr verhindern, dass es durch die Behandlung mit noch nicht gesetzlich genehmigten Medikamenten zu Gesundheitsschäden oder gar Todesfällen kommt wie etwa beim Bayer-Medikament "Lipobay". Bei dem Mittel "Copaxone" sind der Sprecherin nur Einzelfallprüfungen bezüglich der Indikation bekannt, von verweigerten "Mitoxantron"-Zahlungen weiß Frau Faber nichts.

In Berlin leiden ingesamt zwischen 4000 und 6000 Menschen an der Krankheit des zentralen Nervensystems, zwei Drittel davon sind Frauen - für sie gibt es aber neue Hoffnung. Denn die bundesweite Studie der Kamillus-Klinik in Asbach / Westerwald zu den "Immunglobulin"-Präparaten, die auch Patienten des Steglitzer Benjamin-Franklin-Klinikums testen, spricht eher für eine künftige offizielle Zulassung. Die bisherigen Erfahrungen von noch nicht lange erkrankten Patienten mit chronisch fortschreitender Multipler Sklerose machen Mut: "Es gibt eine ganze Reihe von Patienten, bei denen sich das Befinden verbessert hat und der Krankheitsverlauf gebremst wurde", sagt der Leiter der Kamillus-Klinik, Dieter Pöhlau. Die von der Firma Novartis - vormals Sandoz - gestützte Studie wird Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein, die Firma Bayer hat gerade eine zweite Forschungsreihe beendet.

Doch selbst wenn die "Immunglobuline" auf dem deutschen Markt zugelassen werden - heilbar ist die Krankheit, bei der körpereigene Zellen die Nervenleitbahnen schädigen und somit Funktionsausfälle bewirken, nicht.

Annette Kögel

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