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Museen: Pergamonmuseum zeigt Panorama der antiken Stadt

Ein Kreuzberger Künstler baut das alte Pergamon wieder auf – als Großbildpanorama, zu sehen ab dem 30. September.

Der 8. April 129 nach Christus in Pergamon ist ein sonniger Tag. Die Edlen der Stadt warten im Amphitheater auf das Eintreffen des Kaisers Hadrian. Der will die Baustelle des Trajaneums besuchen. Die internationale Presse hat diesen Termin vor rund 1900 Jahren leider verpasst. Aber der Kreuzberger Yadegar Asisi holt das Versäumte nun nach, mit der suggestiven Kraft eines Bild-Panoramas, das Skizzen, Fotografien und Unmengen von Gigabites verschluckt.

Das Pergamon-Panorama wird das Highlight des laufenden Ausstellungsjahres in Berlin. In einer eigens dafür gebauten Rotunde im Ehrenhof des Pergamonmuseums wird die historische Stadt in spätrömischer Zeit szenisch und akustisch nachgebildet. Das Besondere: Die Illusion folgt streng dem wissenschaftlichen Kenntnisstand über die zeitgenössische Landschaft, Architektur und Kleidung. Wo die Forschung weiße Flecken aufweist, beginnt die Rekonstruktion des Panorama-Künstlers Yadegar Asisi, der in seinem Atelier in der Adalbertstraße die Vorlagen für die 360-Grad-Leinwand am Computer bearbeitet.

Das Herzstück des Museums, der Pergamonaltar, wird in dem Panorama komplett wiederhergestellt und koloriert. Asisi arbeitet nach Fotografien der originalen Marmorplatten und füllt die Lücken so aus, dass sie sich plausibel ins Gesamtbild einfügen. Dabei kommt es mit den Museumsexperten zu intensiven Diskussionen, ob ein Fragment nun als Hand oder als Schlangenkopf zu deuten ist. Während Kunsthistoriker darüber uneins bleiben können, muss sich Asisi für eine Variante entscheiden. Von mancher kämpfenden Göttin sind im Original nur die Schuhe zu sehen. Asisi improvisiert dann den Rest hinzu. Als Maler und Bühnenbildner mit Ausbildung an der Hochschule der Künste fällt ihm das nicht schwer.

Asisi ist aber auch anerkannter Architekt, und so bringt er Qualifikationen mit, die ihm Türen öffnen und Zweifler verstummen lassen. Für viele Archäologen und Kunsthistoriker sind Rekonstruktionen fürs Auge ein Tabubruch, eine Hollywood-Schwindelei. Aber bei Asisi drücken die Puristen ein Auge zu, auch, weil sie wissen, dass seine Panoramen die Menschen faszinieren. In die stationären „Panometer“ (Wortschöpfung aus Panorama und Gasometer) Asisis in Leipzig und Dresden strömen jährlich bis zu eine Million Besucher. Dort zeigt er derzeit ein Rundbild des barocken Dresdens und des Amazonas-Regenwalds.

Das Berliner Panorama wird zur Ausstellung auf- und danach wieder abgebaut. Es wird rund 24 Meter hoch sein und 103 Meter lang. Die Besucher stehen auf einem Aussichtsturm im Zentrum. Drei Millionen Euro kostet das Gesamtprojekt. Es wird aus einem Teil der Eintrittspreise finanziert. Aufwendig sind vor allem die Vorarbeiten. Asisi war vor einem Jahr in Pergamon und ließ mitten in der historischen Anlage ein 30 Meter hohes Gerüst errichten, um genau von dem Blickpunkt aus Fotos der Szenerie zu machen, an dem seine Besucher später in der Rotunde stehen werden. Um die Stätte zu beleben, ließ er 70 Komparsen die Ankunft Hadrians und die Dionysos-Festspiele nachstellen, beides ist historisch belegt.

Yadegar Asisi hat für seine Panoramen eine Firma gegründet, „Visual Culture“, die inzwischen auf 80 Mitarbeiter angewachsen ist. In Leipzig und Dresden bespielt er die historischen Gasometer der Stadt. In Berlin hätte er gerne das Gasometer in Schöneberg zur Panoramazentrale gemacht, doch Eigentümer und Politik hatten andere Pläne.

Asisi verkörpert eine seltene Mixtur aus Visionär, Selbstdarsteller, Künstler und Unternehmer. Er kann stundenlang über das Faszinosum seiner Erfindung reden, ohne zu langweilen. Viele Jahre lang unterrichtete er als Professor für Architektur an der Technischen Fachhochschule. Doch 2008 beendete er sein Beamtendasein, um im Amazonas zu fotografieren und sein Unternehmen voranzutreiben.

Die Familie Asisis stammt aus dem Iran. Sein Vater war Kommunist und wurde nach der Machtübernahme des Schahs ermordet. Die Mutter konnte mit ihren fünf Kindern über Österreich in die DDR ausreisen. Asisi, 1955 in Wien geboren, wuchs in Halle und Leipzig auf. Nach dem Architekturstudium in Dresden floh er in den Westen, gründete in West-Berlin ein Architekturbüro und studierte nebenher Malerei. 1987 baute er seine erste Simulation, eine Wiederauferstehung des Anhalter Bahnhofs, dessen Architektur ihn bis heute begeistert. „Mythos Berlin“ hieß die Ausstellung damals. Bei den vielen Ausgrabungen im alten Zentrum der Stadt könnte es sich lohnen, diesen Mythos mal wieder zu kultivieren. Vielleicht würde sich der Einzug Napoleons in Berlin als Großbildpanorama eignen.

„Pergamon – Panorama der antiken Metropole“ läuft ab 30. September. Karten kosten 18 Euro (Ausstellung und Panorama), der Vorverkauf läuft. Weitere Infos: www.pergamon-panorama.de

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