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Museumsinsel: Mehr Leben für die Kunst

Berlins Museumsinsel bietet Weltkultur, doch der öffentliche Raum könnte mehr Besucher anziehen So lautet das Ergebnis einer unabhängigen Studie – als Gegenbeispiel nennt sie Wiens Museumsquartier.

Das Neue Museum ist eröffnet, und wie immer, wenn es in Berlin etwas Neues zu sehen gibt, bilden sich lange Schlangen von Besuchern, die das neue, alte Haus sehen wollen. Doch was tut man eigentlich vor oder nach einem Museumsbesuch? Außerhalb der historischen Mauern ist die Museumsinsel nicht gerade ein einladender Ort. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls eine neue, rund 60 Seiten umfassende Studie der Wiesbadener Unternehmensberatung Arthur D. Little. Ihr Kern: Aus dem 60 000 Quadratmeter großen, von zwei Spreearmen umflossenen Areal ließe sich mehr machen.

„Wenn ich die Museumsinsel besuche, erlebe ich Kunst in höchstem Genuss“, sagt Diethard Bühler, Berliner Geschäftsführer der Unternehmensberatung und Koautor der Studie. Das Problem seien nicht die Innenräume oder die Präsentation der Kunstwerke, sondern das, was im öffentlichen Raum zwischen den Gebäuden passiert oder besser: nicht passiert. „Man verweilt hier nicht gerne“, meint Bühler, „die Museumsinsel ist keine Begegnungsstätte. Der Besucher tritt in einen Dialog mit der Kunst, aber nicht mit den Menschen.“

Der Studie liegt eine Arbeitshypothese zugrunde: Städte würden zunehmend in Wettbewerb zueinander treten und müssten ihre sogenannten „dritten Orte“, halböffentliche Aufenthaltsräume zwischen Wohnen (erster Ort) und Arbeit (zweiter Ort), so attraktiv wie möglich gestalten. Auch Museumsareale seien so ein dritter Ort. Als Beispiel für einen erfolgreich gestalteten dritten Ort zieht die Studie das Wiener Museumsquartier heran. 2008 hatten alleine die dort ansässigen Kulturinstitutionen 1, 4 Millionen Besucher gegenüber rund drei Millionen auf der Berliner Museumsinsel. Insgesamt wurde das Wiener Areal allerdings im gleichen Zeitraum von 3,6 Millionen Menschen besucht. Denn die Mehrzahl derjenigen, die hierher kommen, will gar kein Museum besuchen. Das Museumsquartier wirbt damit, nicht nur „Kunstraum“, sondern auch „Lebensraum“ und „Schaffensraum“ zu sein. Damit ist konkret gemeint, dass man hier auch zahlreiche gastronomische Einrichtungen oder musikalische Veranstaltungen besuchen kann. Außerdem gibt es die Möglichkeit, einzelnen Künstlern persönlich bei der Arbeit zu begegnen und einen kreativen Prozess nachzuvollziehen. So wächst das Museumsquartier über einen bloßen Präsentationsort hinaus und wird zu einer Bühne städtischen Lebens.

Allerdings listet die Studie auch Schwächen und Risiken des Wiener Quartiers auf. Anders als bei der Museumsinsel, wo immerhin der Lustgarten im Sommer ein echter Anziehungspunkt ist, fehlen Grünflächen und Gewässer. Es gibt keinen Star unter den Kunstwerken, also keine Mona Lisa oder Nofretete. Der internationale Wiedererkennungswert ist aufgrund mangelnder architektonischer Differenzierung gering – auch da punktet die Museumsinsel mit Bauten wie dem Bode-Museum. Auch ist das öffentliche Leben im Innenhof des Museumsquartiers stark vom Wetter abhängig. Die Konkurrenz des unmittelbar benachbarten Kunsthistorischen und Naturhistorischen Museums sei außerdem sehr stark.

Die Schwächen und Risiken der Museumsinsel sind dagegen, dass es keine Gastronomie gibt, dass mit der Eröffnung des letzten restaurierten Museums der Neuigkeitsfaktor wegfällt und vor allem, dass – anders als im Museumsquartier – kein eigener Direktor den Blick für das Gesamtareal hat. Nicht einmal die einzelnen Museen auf der Insel haben einen eigenen Direktor, nur die Sammlungen, die sich teilweise ein Gebäude teilen. Deswegen gehe es in Berlin vor allem darum, die Perspektiven der verschiedenen Beteiligten – also der Staatlichen Museen, des Regierenden Bürgermeisters, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und des Bezirks Mitte – miteinander zu verknüpfen, um die Entwicklung der Museumsinsel zu einem erfolgreichen dritten Ort voranzutreiben.

„Vor 100 Jahren“, sagt Diethard Bühler, „besaß Kunst von alleine alle Aufmerksamkeit. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich.“ Direktoren, die ein reines Bildungsideal hochhalten und Angst davor haben, dass Horden von ahnungslosen Menschen in ihre Museen einfallen, möchte er mit auf den Weg geben: „Es macht keinen Sinn, sich nur an diejenigen zu wenden, die schon Bescheid wissen. Kunst muss an die Leute herangetragen werden.“ Um das öffentliche Leben auf der Museumsinsel aufzuwerten, schlägt er neben einer differenzierten Gastronomie auch Dichterlesungen vor, Theateraufführungen, einen philosophischen Salon oder Vorführungen von Filmen, die mit den gezeigten Werken in assoziativem Zusammenhang stehen. Ein gelungenes Beispiel dafür, wie Architektur Akzente setzen kann, ist für ihn die Pyramide von I.M. Pei im Hof des Louvre, die einen attraktiven Spannungszustand zwischen alter und neuer Architektur schaffen würde. Eher billig findet er dagegen die Idee des Rijksmuseums in Amsterdam, Rembrandts Nachtwache als Dinner für Besucher nachzustellen. Ein Beispiel für die Öffnung eines Museums sei es dennoch.

Und was sagen die Staatlichen Museen selbst zu der Studie? „Im Prinzip ist das nichts Neues für uns, die Beeinflussung des Stadtraumes durch die Museen ist immer ein Thema“, so Stephan Barthelmess vom Referat Unternehmensentwicklung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der die Ergebnisse vergangene Woche in Empfang genommen hat. Die Einrichtung seiner Stelle vor eineinhalb Jahren sei selbst schon ein Beispiel dafür, wie Museen anfangen, realistischer zu denken. „Mit der Studie von Arthur D. Little, für die es keinen Auftraggeber gibt, möchte zunächst einmal eine Unternehmensberatung ihre Kompetenz auf einem bestimmten Gebiet unter Beweis stellen“, sagt er. Ihr müssten weitere, präzisere Studien mit konkreten Handlungsanweisungen folgen. Udo Badelt

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