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Musik ist Trumpf: Hau in die Tasten, Junge!

Der Pianist Joja Wendt kreuzt Bach mit Pop oder Klassik mit HipHop. Eine Begegnung zwischen Klavieren.

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Man stelle sich vor: eine kleine Hamburger Musikkneipe, irgendwann in den achtziger Jahren, vorne allein am Klavier ein junger Mann, Solokünstler des Abends, Blues, Rock, Boogie und so. Hamburger wie das Gros des Publikums, in das es aber auch einen Mann aus Sheffield, England, verschlagen hat. Ihm steht tags darauf ebenfalls ein Konzertauftritt bevor, in freilich ungleich größerem Rahmen, aber er hat ein Problem: Sein Vorprogramm musste gestrichen werden, ein Krankheitsfall. Der Name des Mannes: Joe Cocker.

Vielleicht will er sich nur entspannen, die aktuellen Sorgen runterspülen, aber dann wird er aufmerksam: Der Junge da vorne am Piano – gar nicht schlecht! Er bittet ihn zu sich, lädt ihn für den nächsten Tag ins Hotel ein, lässt ihn vorspielen – und hat sein neues Vorprogramm. Und nicht nur fürs Hamburger Konzert, nein, für die gesamte Deutschland-Tournee.

Im Vorprogramm von Joe Cocker

Ein glücklicher Zufall, aber Joja Wendt, der junge Klavierkünstler von damals, hat ihn genutzt. Erst überzeugte er Cocker, der sich von ihm jeden Abend „I got my mojo working“ von Muddy Waters wünschte, dann das Publikum, erkannte so zum ersten Mal: „Es ist möglich, allein am Klavier Tausende von Leuten zu begeistern.“ Und beschloss daher, das geliebte Pianospiel gleich zum Beruf zu erheben. Das nahm er dann so ernst, dass er zeitweise in seinem alten VW Bully T2 stets ein kleines Klavier mitführte, um üben zu können, wann und wo ihm danach war. Das Klavier hat er noch, dem T2 trauert er bis heute nach, hat schließlich außer für Klaviere auch ein ausgeprägtes Faible für Oldtimer. Noch heute kann er die spezielle Form der Blinklichter des Kleinbusses beschreiben. Immerhin, es gibt Trost: ein altes Käfer-Kabrio. Ein Piano passt dort allerdings weder vorne noch hinten rein.

Das Klavierspielen sollte ihn noch mit manchen anderen Musikgrößen zusammenbringen: Fats Domino, Jerry Lee Lewis, Chuck Berry, Udo Lindenberg, ja, und auch Otto, dem er die Musik zu „7 Zwerge – Männer allein im Wald“ schrieb. Längst füllt er mit seiner Tastenkunst auch allein große Säle, konzertierte hier schon in der Komödie am Kurfürstendamm, im Schillertheater, an der UdK, bei „Klassik Open Air“ auf dem Gendarmenmarkt und nächstes Jahr nun sogar im dortigen Konzerthaus, was ihm geradezu ein „Privileg“ zu sein dünkt, in der „Evolution“ seiner Konzertorte so etwas wie die „Krone der Schöpfung“, was könne danach schon noch kommen? Die Philharmonie, gewiss, aber da ist er skeptisch, befürchtet, dass sich dort das „Wir-Gefühl des Publikums“ schwieriger herstellen lässt. Aber das sei nur so ein Gefühl.

Wo trifft man sich sinnvollerweise mit einem Klaviervirtuosen, um über seine Kunst zu parlieren? Am besten zwischen Flügeln und Klavieren, in diesem Fall bei Steinway & Sons am Lützowufer im Tiergarten. An den Wänden Fotos, gerne handsigniert, von berühmten, die Marke preisenden Tastenkünstlern, termingebunden ergänzt durch Plakate, die auf Wendts Konzerte in Berlin und Potsdam hinweisen und auf denen nicht weniger als „Die Kunst des Unmöglichen“ versprochen wird.

Ein David Garrett des Pianos?

Klar, das ist mit Augenzwinkern formuliert, denn selbstverständlich hält Joja Wendt seine Spezialität des musikalischen „Mash-up“ für möglich, beispielsweise Klassik und HipHop zu verbinden oder Bach und Pop, also „zu versuchen, verschiedene Stile zu vermischen“, das zu tun, „was noch nie jemand probiert hat“ – was Wendt als den „running gag“ seiner Konzerte beschreibt. Und er sieht sich darin sogar musikhistorisch bestätigt: „Es wurde immer dann interessant, wenn stilistisch gekreuzt wurde.“ Sieht er sich also als Crossover-Künstler, als eine Art David Garrett des Pianos? Optisch schon mal nicht, der Geiger sehe einfach besser aus, stellt Wendt, auch hier wohl wieder mit Augenzwinkern, selbstkritisch fest. Und dann komme Garret ja von der Klassik her, er selbst sei mit seiner Club- und Bar-Erfahrung vergleichsweise eher so etwas wie ein Straßenköter, entstamme dem Pop und besonders dem Jazz, in dem Improvisation großgeschrieben werde.

„Improvisieren – Trau Dich!“ – so heißt auch einer der Kurse, die Wendt online in „Jojas Piano Academy“ anbietet, sein Versuch, das analoge Klavierspiel über das digitale Medium des Internets zu vermitteln und zu lehren, Anfängern wie Fortgeschrittenen, und selbst wenn es mit den Notenkenntnissen hapert: kein Problem. Gerade in Berlin gebe es schon viele Kunden, freut er sich.

Klavierspielen ist gesund

Und das Klavierspielen sei auch nicht nur schön, sondern auch gesund. Diese Erkenntnis stamme nicht von ihm, das sei erwiesen. Nur 20 Minuten Klavierspielen – schon gebe es messbare neurologische Effekte, neue synaptische Verbindungen, die sich aus der Kombination von Sehen (die schwarzen und weißen Tasten), Hören (die Töne) und Fühlen (das Umsetzen mit den Händen) ergeben. Aber das „Hauptding: die daraus entstehenden Glücksgefühle“.

Bleibt die Frage: Wieso Joja? Ist schließlich kein sehr gebräuchlicher Name, steht sicher so nicht im Pass. Anfangs nicht, gibt Joja Wendt zu, mittlerweile aber schon. Er entstammt einer kinderreichen Hamburger Familie, der Vater Arzt, die Mutter Sängerin. Jedes Kind hatte seinen Spitznamen, seiner war Joja, in der Familie, in der Schule, fast schon immer. Johan, so heißt er eigentlich, aber das konnte er als kleiner Junge nicht aussprechen. Joja, das war viel einfacher. Und dabei blieb’s.

Joja Wendt tritt am 23. März und am 19. April 2017 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt auf (29,50 Euro plus Gebühren). Am 29. März spielt er im Potsdamer Nikolaisaal (34 Euro plus Gebühren). Karten gibt es unter www.myticket.de, unter Tel. 01806-777111 sowie an den bekannten Vorverkaufsstellen. Mehr über Wendt und seine Piano Academy unter www.jojawendt.com

Man müsste Klavier spielen können... Kein Problem, meint Joja Wendt und verweist auf seine „Piano Academy“ im Internet. Analog gibt es ihn im Frühjahr bei zwei Konzerten in Berlin und Potsdam zu erleben.
Man müsste Klavier spielen können... Kein Problem, meint Joja Wendt und verweist auf seine „Piano Academy“ im Internet. Analog gibt es ihn im Frühjahr bei zwei Konzerten in Berlin und Potsdam zu erleben.

©  Doris Klaas-Spiekermann

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