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Betender Muslim in einem Gebetsraum in Gera.

© Bodo Schakow/dpa

Muslime an Berliner Hochschulen: Gebetsräume zu schließen, ist ein falsches Signal

Orte für Andachten an öffentlichen Einrichtungen widersprechen nicht grundsätzlich der Trennung von Staat und Religion. Die TU Berlin knickt vorauseilend ein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Die meisten Universitäten und Schulen sind staatliche Einrichtungen. Hier gilt die Grundordnung des säkularen Staates und somit die Trennung von Staat und Religion. Hier kann kein Christ und kein Muslim, kein Jude, Buddhist oder Hindu einen Gebets- oder Meditationsraum einfordern. Und doch unterhalten etliche Hochschulen einen „Raum der Stille".

Es ist ein freiwilliges Angebot an Studierende und Professoren, damit sie sich zurückziehen und beten können, wenn sie möchten. Auch in staatlichen Krankenhäusern, in Flughäfen und Landtagen gibt es multireligiöse Andachtsorte. Selbst im Bundestag feiern Abgeordnete regelmäßig Gottesdienste.

Die Technische Universität in Dortmund, die Universitäten Essen-Duisburg und Bochum haben diese Räume kürzlich wieder geschlossen. Die Technische Universität Berlin hat die Schließung ihres muslimischen Gebetsraums für Mitte März angekündigt. In Dortmund hatten fromme Muslime den Meditationsraum, der allen Studierenden offen steht, in Beschlag genommen und eigenmächtig Trennwände zur Geschlechtertrennung hineingeschoben. In Bochum hatte ein Salafist den Raum als heimlichen Treffpunkt mit seinen Freunden genutzt. Der Verfassungsschutz musste einschreiten.

Die Universitäten in Frankfurt, Paderborn und Hannover haben gute Erfahrungen mit ihren Räumen der Stille gemacht. Dort vermitteln studentische Beiräte zwischen den Religionen und legen klare Regeln fest. Die Kölner Hochschule baut gerade einen Meditationsraum, damit sich die Studierenden nicht länger in einem Kellerraum zum Beten versammeln müssen. An der Universität Essen-Duisburg wurde der muslimische Gebetsraum wegen Sanierungsarbeiten geschlossen. Im Zuge der Sanierung soll nun aber ein Raum der Stille für alle Religionen geschaffen werden.

In Frankfurt, Paderborn, Hannover funktioniert es

Mit dem muslimischen Gebetsraum habe es keine Probleme gegeben, sagt Christian Thomsen, der Präsident der TU Berlin. Er ist grundsätzlich gegen Gebetsräume an Hochschulen und begründet die Schließung mit der Trennung von Staat und Kirche. Außerdem sei die Uni zu Neutralität verpflichtet, ein Gebetsraum nur für Muslime gehe gar nicht. Juristisch ist dagegen nichts einzuwenden. Doch ist die Entscheidung klug?

Der Gebetsraum an der TU wurde eingerichtet, als es noch kaum muslimische Studierende an den Berliner Unis gab. Jetzt zeigen die Bildungsoffensiven für Kinder aus Einwandererfamilien endlich Wirkung und immer mehr muslimische Frauen und Männer beginnen ein Studium. Ausgerechnet jetzt wird der Raum geschlossen.

Für viele Flüchtlinge ist die Religion wichtiger Bestandteil ihrer Identität

Auch über jeden studierenden Flüchtling freut sich Deutschland. Viele Neuankömmlinge haben ihre Religion im Gepäck. Sie ist für sie ein wichtiger Teil ihrer Identität, die Glaubensrituale sind ein Stück Heimat in der Fremde.

Der fehlende Gebetsraum wird ehrgeizige Studierende nicht davon abhalten, sich an einer Uni einzuschreiben. Doch die Existenz eines solchen Ortes ist eine Geste der Wertschätzung und des Willkommens wie der freundliche Empfang im Flüchtlingswohnheim. Wenn es gut läuft, kann sich ein Vertrauensverhältnis von Universitätsleitung und Studierenden entwickeln über das rein Fachliche hinaus.

Die Uni knickt vorauseilend ein, statt sich der Auseinandersetzung zu stellen

Die TU verzichtet auf diese Chance, indem sie den Raum ohne Not schließt. Um die staatliche Neutralität zu wahren, könnte die Universität den muslimischen Gebetsraum in einen multireligiös nutzbaren Meditationsraum umwandeln. Doch auch das lehnt der Präsident kategorisch ab mit dem Hinweis auf den Ärger anderswo. Die Uni knickt also lieber vorauseilend ein, statt die Auseinandersetzung mit reaktionären Eiferern zu wagen – wenn sie denn kommen sollten.

Das ist das falsche Signal zu einer Zeit, da täglich davon die Rede ist, wie wichtig Integration ist und künftig sein wird. Integration bedeutet nicht nur, Verbotsschilder aufzustellen. Integration besteht vor allem aus zigtausenden Gesprächen und harten Auseinandersetzungen. Wenn solche Gespräche wiederholt ergebnislos verlaufen wie an der TU in Dortmund, kann man sich immer noch resigniert abwenden. Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert.

Religionen können Teil der Lösung sein

In vielen Regionen der Welt prägen Religionen das Bewusstsein und den Lebensstil von Menschen. Religionsführer sind moralische Autoritäten. Das hat auch das Entwicklungsministerium erkannt und will künftig gezielt mit Religionsführern zusammenarbeiten, um sie für die Sicherung des Friedens und die Öffnung rückständiger Länder zur Moderne zu gewinnen. Religionen können zur Lösung von Konflikten beitragen, auch wenn Terroristen in Allahs Namen das Gegenteil zu beweisen scheinen. Dieses Potenzial sollte sich der Westen nicht entgehen lassen.

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