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Was hält das "christliche Abendland" aus? Unser Autor reflektiert über seine Verortung in Deutschland.

© dpa

Muslime in Berlin: "Was denken Sie über Frauen im Islam!?"

Die Debatte rund um Frauenrechte im Islam verfolgt Ozan Keskinkılıç durch die Stadt. Nachdem ihn ein Kamerateam in Kreuzberg fragte, was er von der Aussage halte, Männer im Islam seien mehr wert als Frauen, schrieb er diesen Gastbeitrag.

Kreuzberg ist eine Herberge für Komödien. Daran wurde ich neulich gegenüber von Dileks Blumenladen nähe Kotti erinnert. Aus dem Schutz der Anonymität der Berliner Großstadt gerissen, wird mir von einem Fernsehteam eines öffentlich-rechtlichen Senders ein Mikro vor die Nase gehalten. “Was sagen Sie zu der Aussage, dass Männer im Islam mehr wert sind als Frauen?” Bei jedem nachfolgenden Wort verlangsamt sich die Zeit um mich herum und alles bleibt für einen kurzen Augenblick stehen. In der Stille dieses Moments breitet sich auf meinem Mund ein Lächeln aus.

Ich blicke dem Kameramann in die Augen, und lache herzhaft. Ich lache, drehe mich um und gehe weiter. Der Reporter ist sichtlich empört über die ehrliche, ach so menschliche Geste und ruft hinterher: „Warum lachst du? Das war kein Witz.“ Jetzt sind wir offenbar schon per du. Aber gut genug kennt er mich nicht, um zu verstehen, dass diese Aussage für mich einem Witz gleichkommt, geschmückt mit der unverkennbaren Note rassistischer Ignoranz.

Mittlerweile zähle ich fünfundzwanzig Jahre tiefster Verbundenheit zu dem Fleckchen Erde, das sich Deutschland nennt. Geburtsland und Heimat. Hier habe ich das Licht der Welt das erste Mal erblickt, mit ihr gelacht, geliebt und gelebt. Und hier habe ich gelernt, was es heißt, durch die Blicke anderer zu existieren. Meine Umwelt schien mich besser zu kennen, als ich mich selbst. Sie hatten Wahrheiten über meine Kultur, Religion und Identität – vieles, das in der liebevollen Erziehung meiner Familie vollkommen untergegangen ist.

Ozan Keskinkılıç studiert Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin. Er forscht zu globalen Ungleichheiten im historischen Kontext und engagiert sich seit vielen Jahren in antirassistischen Netzwerken und Initiativen.
Ozan Keskinkılıç studiert Internationale Beziehungen an der Freien Universität Berlin. Er forscht zu globalen Ungleichheiten im historischen Kontext und engagiert sich seit vielen Jahren in antirassistischen Netzwerken und Initiativen.

© privat

"Die Invasion kopftuchtragender Gebärmaschinen"

Wieso haben meine Eltern mir nicht von unseren angeborenen muslimischen Talenten erzählt? Von dieser Macht, ganz Europa im Stillen zu islamisieren. All die Jahre habe ich mich unterschätzt. Ich scheine einer Gruppe von Menschen anzugehören, die das Potential trägt, ganze Welten durch die Invasion kopftuchtragender Gebärmaschinen und ihrer schier endlosen Testosteron-überladenen Munition zu erobern. Unter meiner olivgrünen Haut schimmert das Blut eines Gotteskriegers, gefährlich, dunkel, ein Analphabet wenn es um Demokratie, Menschenrechte und Moderne geht. Eine tickende Zeitbombe also, die von einem Moment in den nächsten zu Hulk wird, Dschihad-Hulk.

Meine Feinde bezwinge ich mit dem mir angeborenen Sinn für Hass und Terrorismus. Hauptberuflich unterdrücke ich Frauen, nebenher führe ich das Scheinleben eines orientalischen Gemüse- und Blumenhändlers, der durch die von Al-Shabab Milizen gepflückten Rosen aus Kenia Brüder und Schwestern radikalisiert.

Ich lache. Und zwar aufgrund solcher Fantasiefluten, die auch die Pegida-kritisierende Medienladenschaft so sehr überschwemmt. Und ich lache, weil ich offenbar all das sein kann, ohne etwas dafür tun zu müssen – einfach „anders“. Mein Lachen richtet sich an die Blindheit von Menschen, die ihren eigenen Feind erfinden und nicht sehen, dass sie den Schlüssel für das Ende dieses jahrhundertealten Unsinns im eigenen Kopf tragen. Und das ist wirklich kein Witz.

Dieser Text erschien im Migazin.

Ozan Keskinkılıç

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