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Tanzen, lachen, flirten! Im Zeichen der Discokugel findet jeden Freitag im Ballhaus Berlin eine Ü-40-Party statt. Viele Besucher nutzen sie, um jemanden kennenzulernen, weiß der Veranstalter. Foto: David Heerde

© David Heerde

Berlin: Mutprobe mit Bakelit-Telefon

Kontaktbörse mit Disco-Fox: Immer freitags steigt neuerdings im Ballhaus Berlin eine Ü40-Party

Eigentlich hatten sich die Freundinnen Silke und Annett, 45 und 40 Jahre alt, unter einer „Ü40-Party“ etwas ganz anderes vorgestellt: Eine Art Ü30-Party, nur eben für ältere Semester, mit attraktiven Typen in Designer-Shirts und hübschen Frauen in Jeans, die neben- und selbstverständlich keinesfalls miteinander zu aktueller Rock- und Clubmusik tanzen. Und nun das: Auf der für 22 Uhr bereits gut gefüllten Tanzfläche des Ballhauses Berlin in der Chausseestraße bewegen sich fast nur Tanzpaare mittleren Alters. Die Diskokugel streut dazu kleine grüne Sterne über die stuckverzierte Spiegelwand und die alte Wendeltreppe, die nostalgischen Kerzenleuchter und Tische. Die Männer tragen Karo-Hemden oder Jacketts, die Damen Petticoat, Blümchenrock oder ein kleines Schwarzes. Es läuft „Wonderful life“, Blacks melancholischer Schmusehit von 1987. Eine füllige Rothaarige in Türkis zeigt an der Hand ihres Partners eine erstaunlich leichtfüßige Rumba. Zwei andere, weit über die 40 hinaus, wirken frisch verliebt, wie verschämte Teenager nutzen sie den Schmachtsong als willkommenes Engtanz-Alibi.

DJ Teddy freut sich. „Tanzen, lachen, flirten! Ja, so ist es richtig, Freunde!“, ruft der 50-Jährige ins Mikrofon. Zu Teddy Rinkes Ü40-Partys in die Tegeler Seeterrassen kommen jeden Monat bis zu 600 Gäste. Und auch die neue wöchentliche Veranstaltung im Ballhaus Berlin hat sich bereits etabliert. „Wir locken viele, die endlich wieder tanzen gehen wollen“, sagt Ballhaus-Inhaber Herbert Gottschlich. Und das Konzept scheint aufzugehen in einer Stadt, die zwar für ihr vielfältiges Clubleben berühmt ist, den zahlreichen tanzfreudigen Menschen jenseits der 40 aber wenig zu bieten hat. „Ich bin seit 18 Jahren das erste Mal wieder hier – es ist klasse“, findet auch Peter Allmuß aus Charlottenburg, der die 40 schon lange hinter sich gelassen hat.

Annett und Silke allerdings haben den ersten Schock noch nicht überwunden, auch wenn ihre Füße zu einem Song der Pet Shop Boys bereits verdächtig wippen. „Ich muss erst mal hier weg“, sagt die etwas verstört dreinschauende Annett, und die Frauen flüchten über die Wendeltreppe auf die Empore. Von hier oben haben die Lehrerin und die Ergotherapeutin aus Prenzlauer Berg einen guten Blick auf den Tanzsaal. An den Tischen plaudern Freundinnen wie sie oder halten Paare Händchen, auch zwei kleinere Männergruppen sind da. „Nicht wenige Gäste nutzen unsere Party als Möglichkeit, jemanden kennenzulernen“, weiß Gottschlich. Die besonders einsamen Herzen sind leicht auszumachen. An einem Tisch sitzt allein ein weißhaariger Herr im Pensionsalter, eindeutig der Senior des Abends. Er hat sich adrett zurechtgemacht zu diesem Anlass, schaut den Tanzpaaren zu oder blickt wie jemand, der geduldig auf etwas wartet, auf die Tischfläche. Doch das Tischtelefon mit der Nummer 15 will nicht klingeln.

Die Fernsprecher mit den roten Kugellampen, auf denen die Tischnummer steht, sind der Clou des Ballhauses, das Gottschlich seit 1984 führt. Die schwarzen Telefone aus Bakelit stammen aus der Serie W38 von 1940, die in der DDR noch bis in die 60er Jahre gebaut wurde. Annett und Silke finden die Apparate prima und denken sich zwei Mutproben aus: „Los, ich rufe den netten Typen an Nummer 11 an, und du versprichst, dass du tanzt, wenn dich jemand auffordert“ – das erste Glas Sekt zeigt bei Single-Frau Silke Wirkung. Gesagt, getan: Silke kommt aus dem Lachen und Flirten am Telefon kaum mehr heraus. Und was den zweiten Teil der Mutprobe angeht: Der Abend ist schließlich noch lang. Und so gibt Silke ihrer Freundin Annett auf der Empore erst mal einen raschen Auffrischungskurs im Disco-Fox. Vom baldigen Nach-Hause-Gehen ist plötzlich keine Rede mehr.

Jeden Freitag ab 21 Uhr im Ballhaus Berlin, Chausseestraße 102, 5 Euro. In den Tegeler Seeterrassen, Wilkestraße 1, wieder am 16. Juli ab 20 Uhr, 10 Euro. www.40pluspartys.de.

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