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Berlin: Mutter mit fünf Kindern schuldlos auf die Straße gesetzt In Neukölln muss eine Alleinerziehende ihre Wohnung räumen

Ihr Anwalt sagt: Weil der Bezirk die Miete nicht rechtzeitig bezahlt hat

Eine alleinerziehende Frau, fünf Kinder, Sozialhilfeempfängerin, verliert ihre Wohnung in Neukölln. Ihr Vermieter, eine Gesellschaft der evangelischen Kirche, hat den Mietvertrag gekündigt, weil die Miete zwei Jahre lang immer wieder zu spät gezahlt wurde. Das Amtsgericht hat festgestellt, dass die Frau keine Schuld trifft – aber das hilft ihr nichts.

Für ihren Anwalt ist der Fall klar: Die Schuld trifft den Bezirk Neukölln, sagt Gerhard Michael Wilms. „Das Bezirksamt Neukölln hat in den Jahren 2003 und 2004 die Miete nicht rechtzeitig gezahlt.“ Der Vermieter, die Evangelische Hilfswerksiedlung GmbH, habe der Libanesin deshalb vor einigen Wochen den Mietvertrag gekündigt – wie schon einmal vor zwei Jahren. Damals zahlte das Amt nach und damit war die Angelegenheit erledigt. Dieses Mal aber muss die Frau ihre Wohnung in der Neuköllner Lipschitzallee räumen. So hat es das Amtsgericht kürzlich entschieden – obwohl die Frau nach Ansicht der Richter nichts verkehrt gemacht hatte. Sie müsse sich aber das Versäumen des Bezirksamts persönlich anrechnen lassen.

Derweil schieben sich die beteiligten Stellen gegenseitig den schwarzen Peter zu. Bei der Hilfswerksiedlung GmbH hieß es: „Wir fühlen uns christlichen Werten verpflichtet, aber wir müssen auch wirtschaftlich arbeiten.“ Man biete eine kostenlose Schuldnerberatung an. „Dort werden unsere Mieter auch rechtlich beraten und können ihre Ansprüche prüfen.“ Und Neuköllns Sozialstadtrat Michael Büge (CDU) findet den Fall „zwar sehr bedauerlich“. Den Bezirk sieht er aber nicht in der Schuld. Denn grundsätzlich, so Büge, „überweisen wir das Mietgeld zusammen mit anderen Leistungen direkt an die Sozialhilfeempfänger“. Nur in Einzelfällen überweise das Amt die monatlichen Mietkosten direkt an den Vermieter. „Etwa, wenn jemand zwei-, dreimal keine Miete gezahlt hat.“ Und falls dem Bezirk unter Umständen doch ein Fehler unterlaufen sei, dann „ lag die Verantwortung beim Jugendamt.“ Dort seien bis Jahresfrist Alleinerziehende betreut worden.

Alles faule Ausreden, findet Anwalt Wilms: „Das Amt hat die Miete meiner Mandantin direkt an den Vermieter gezahlt. Die Schuld liegt in diesem Fall eindeutig beim Bezirk.“ Er verweist auf die Entscheidung der Amtsrichter und sagt: „Dass meine Mandantin trotzdem für das Versagen des Bezirks gerade stehen muss, ist schon absurd.“ Wilms will jetzt durchsetzen, dass das Land wenigstens die Gerichts- und Prozesskosten seiner Mandantin übernimmt. Bei der sozialen Beratung ist man ziemlich ratlos: „Einen derartigen Fall haben wir wirklich noch nie erlebt“, heißt es.

Marc Neller

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