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Berlin: Mythen und Riten: Die Blumenkinder

Sie sind zwar in der Regel (noch?) keine Hippies, aber für Liebe sollen sie schon sorgen.

Sie sind zwar in der Regel (noch?) keine Hippies, aber für Liebe sollen sie schon sorgen. Blumenkinder bei einer Hochzeit tragen nicht nur den Namen der Flower-Power-Generation, auch ihre Funktion, für Fruchtbarkeit zu sorgen, weist gewisse Parallelen zum Motto "Make Love not War" auf. In Indien, wo sich die Blumenkinder der sechziger und siebziger Jahre so einiges abgekupfert haben, gibt es den Brauch, Jungverheirateten ein Kind auf den Schoß zu setzen. Das soll für reichen Kindersegen sorgen.

Allerdings beruft man sich bei unseren Blumenkindern auf mittelalterliche bis antike Traditionen aus eher westlichen Regionen. Böse Geister sollen vertrieben werden, sagen die einen. Die Fruchtbarkeitsgöttin Freya soll mit dem Duft der Blüten angelockt werden, behaupten andere. Egal, heidnisch ist der alte Brauch wohl auf jeden Fall. Was aber zum Beispiel eine evangelische Gemeinde mit eigener Homepage nicht davon abhält, auf ihrer Seite die Funktion der Blumenkinder zu erklären - allerdings ohne den Zusatz mit der Göttin Freya.

Die Blüten streuenden Knirpse sind demnach zumindest keine zeitlich begrenzte Modeerscheinung wie die Blumenkinder vor dreißig Jahren. Wobei: Modisch sind sie schon. So sollen Blumenkinder in Mexiko kleine Miniaturen des Brautpaares darstellen. Hierzulande kleidet man die Kinder eher so natürlich wie möglich ein, damit sie nicht zu "bemitleidenswerten Würmchen" werden, wie ein deutscher "Wedding Planer" erklärt. Aber ihre Kleider sollten sich trotzdem "dem Gesamtstil der Hochzeit und des Brautpaares anpassen".

Die kleinen Verwandten oder Kinder aus dem Bekanntenkreis sind gerade bei traditionellen kirchlichen Hochzeiten unentbehrlich. Beim Hochzeitszug, beziehungsweise der Brautprozession streuen sie Blumen auf den Weg des Brautpaares zum oder vom Altar. Veilchen, Nelken, Rosenblätter oder Blüten, die Sorte ist egal, Hauptsache der Blumenteppich wird schön bunt. Damit nicht genug: Die Kinder tragen zuweilen auch den Brautschleier und/oder die Ringe, mit höchstens zehn bis zwölf Jahren eine verantwortungsvolle Aufgabe.

Einstudiert werden sollte diese Rolle schon, läuft man doch sonst möglicherweise Gefahr, dass die Kleinen ihre Körbchen gleich zu Anfang auf einmal ausleeren oder sich gar nicht von ihren Schätzen trennen wollen. Und wer streut dann das nächste Mal Blumen, wenn sich Freya nicht einstellt?

Juliane Schäuble

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