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Berlin: Mythen und Riten: Lärmender Autokorso

Wer hat ihn nicht schon oft gesehen (und gehört): den Autokorso, an dessen Spitze ein mit Blumen geschmücktes Fahrzeug fährt, dem einige Dutzend meist wild hupende Wagen folgen?Die Zeiten, zu denen solch ein Konvoi eine große Überraschung darstellte, sind wohl vorbei - wissen die meisten Menschen heutzutage doch, dass es sich um eine Hochzeitsgesellschaft auf ihrer Fahrt zu einem Restaurant oder einer Gaststätte handelt.

Wer hat ihn nicht schon oft gesehen (und gehört): den Autokorso, an dessen Spitze ein mit Blumen geschmücktes Fahrzeug fährt, dem einige Dutzend meist wild hupende Wagen folgen?

Die Zeiten, zu denen solch ein Konvoi eine große Überraschung darstellte, sind wohl vorbei - wissen die meisten Menschen heutzutage doch, dass es sich um eine Hochzeitsgesellschaft auf ihrer Fahrt zu einem Restaurant oder einer Gaststätte handelt. Während das dabei veranstaltete Hupkonzert, das immer mehr die einst üblichen Dosen am Auto ablöst, auf einen alten Aberglauben zurückgeht - der Lärm soll die bösen Geister vertreiben, die das Glück des Paares stören könnten -, stellt der Autozug ein recht modernes Hochzeits-Ritual dar. Denn früher begannen die Eheschließungen ganz traditionell mit einer Versammlung aller Gäste im Haus der Braut. Von dort machte sich die Hochzeitsgesellschaft auf den Weg in die Kirche - und zwar zu Fuß. Nach der kirchlichen Trauung galt es als selbstverständlich, dass das junge Paar zunächst auf dem Friedhof zu den Gräbern naher Angehöriger ging, um auch sie um ihren Segen für die Hochzeit zu bitten. Erst anschließend zog man zum Hochzeitsessen in ein nahes Gasthaus - oder auch zurück ins Haus der Braut.

Heute hat sich nicht nur der Brauch des Friedhofbesuchs überlebt - er wird nur noch in einigen ländlichen Gegenden aufrechterhalten -, auch liegt zwischen Kirche oder Standesamt und auserkorenem Hochzeitslokal oft eine größere Distanz, die zu Fuß nicht bewältigt werden kann. So ersetzte in den vergangenen Jahrzehnten nach und nach der Autokonvoi den einstigen Hochzeitszug.

Heute wie damals gilt aber: Möglichst viel Aufsehen erregen! Schließlich soll es ein gutes Omen sein, wenn viele der übrigen Stadt- und Dorfbewohner von dem jungen Eheglück erfahren. Feste Regeln für den Fahrzeug-Korso gibt es kaum. Eine jedoch, die auf einem alten Aberglauben basiert, hat sich bis heute gehalten: In keinem Fall darf der Bräutigam selbst das Hochzeitsauto lenken - wenn er nicht direkt ins Unglück fahren will.

Zudem ist es üblich, dass der Wagen (oder auch die Kutsche) mit dem Brautpaar an der Spitze des Konvois fährt. In welcher Ordnung die Gäste folgen, wird als weniger wichtig erachtet. Um ein Durcheinander zu vermeiden, ist es jedoch ratsam, vorab einen Plan zu erstellen, in welcher Reihenfolge der Korso fahren soll. Auch ein Anfahrtsplan für die Gäste hat sich als sinnvoll herausgestellt, um Malheure wie einst in Köln geschehen zu vermeiden. Dort hatten drei Fahrer an einer Kreuzung den Anschluss an den Konvoi verloren - und waren daraufhin versehentlich einem anderen Hochzeitszug gefolgt.

Holger Müller-Hillebrand

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