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Sicherheit im öffentlichen Raum – ein altes Streitthema.

© dpa/ Roland Weihrauch

Nach Anschlag auf Weihnachtsmarkt: Berlins Politik diskutiert Sicherheitsmaßnahmen

In Berlin flammt eine Debatte um Sicherheit auf. Die rot-rot-grüne Koalition stellt sich gegen mehr Videoüberwachung. Die Opposition nennt das "Verblendung".

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin will noch vor Weihnachten über verstärkte Sicherheitsmaßnahmen in der Hauptstadt beraten. Die Koalitionsfraktionen haben eine Sitzung des Innenausschusses im Abgeordnetenhaus beantragt, die am Freitag um 11 Uhr stattfinden wird. „Nach dem Terroranschlag am Breitscheidplatz können wir nicht erst im neuen Jahr über das Thema diskutieren“, begründete der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Frank Zimmermann, die Sondersitzung einen Tag vor Heiligabend.

Der SPD-Politiker sprach sich für ein „abgestimmtes Konzept zwischen Bund und Ländern“ zur Abwehr terroristischer Gefahren aus. Man müsse gemeinsam nach Wegen suchen. Ein strittiges Thema, das nach dem Anschlag in Berlin jetzt bundesweit diskutiert wird, will Rot-Rot-Grün aber möglichst nicht anfassen. Eine flächendeckende Videoüberwachung öffentlicher Plätze soll es aus Sicht von SPD, Linken und Grünen nicht geben.

Ob diese Position, die dem Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung entspricht, den sicherheitspolitischen Realitäten auf Dauer standhält, bleibt abzuwarten. „Wir legen uns da jetzt nicht fest“, sagte Zimmermann. Sein Kollege von den Grünen, Benedikt Lux, formulierte die Haltung seiner Partei dagegen deutlich: „Eine Ausweitung der Videoüberwachung bedeutet einen zu hohen Aufwand, der in keinem Verhältnis zum Ertrag steht. Die Polizei hat genügend andere geheime und offene Möglichkeiten, um auch bei Anschlägen erfolgreich zu ermitteln.“

CDU und AfD fordern mehr Videoüberwachung

Auch der Innenexperte der Linken, Hakan Tas, hält eine Ausweitung der Videoüberwachung „nicht für zielführend“. Die Bürger würden dadurch nicht besser geschützt, außerdem gebe es schon viele private Veranstalter oder Geschäftsleute, die Videokameras einsetzten, deren Aufnahmen von der Polizei im Gefahrenfall ausgewertet würden.

Die Haltung des Berliner Innensenators Geisel ist ebenfalls klar. „Wir lehnen eine flächendeckende Überwachung öffentlicher Plätze per Videokameras ab“, bestätigte sein Sprecher. Dagegen ist es dem CDU-Innenexperten Burkard Dregger „völlig unbegreiflich“, dass der rot- rot-grüne Senat angesichts des furchtbaren Anschlags das Ermittlungsmittel Videoüberwachung ablehne. Was müsse noch alles passieren, damit „diese Verblendung“ ein Ende finde? Auch die AfD forderte mehr Videoüberwachung.

Innensenator Geisel unterrichtete am Mittwoch alle sechs Parlamentsfraktionen bei einem gemeinsamen Treffen über „die Sicherheitslage in Berlin“. Und am Freitag wird er im Innenausschuss, der sich für die neue Wahlperiode vorfristig konstituiert, über den Stand der laufenden Ermittlungen zum Terroranschlag in der City West berichten, soweit dies in öffentlicher Sitzung möglich ist. Geplant ist auch, dass Geisel und Polizeipräsident Klaus Kandt anschließend Vorschläge für eine bessere Sicherung von Großveranstaltungen in der Hauptstadt machen.

"Erhöhte Polizeipräsenz" für Silvesterparty am Brandenburger Tor

Das nächste Event, das ansteht, ist die Silvesterparty rund um das Brandenburger Tor. Eine „deutlich erhöhte Polizeipräsenz“ hatte Geisel schon am Dienstag zugesichert. Dafür habe der Bund personelle Unterstützung angeboten, die vom Senat gern angenommen werde. Es geht um Polizeibeamte, die mit Schutzwesten und Maschinenpistolen ausgestattet sind. In welcher Anzahl, wird nicht gesagt. Ein weiteres Thema ist der Schutz von Veranstaltungsplätzen mit Pollern, Betonklötzen und anderen Sperren, außerdem geht es um verstärkte Einlass- und Taschenkontrollen.

In der neuen Koalition in Berlin gibt es aber auch Überlegungen, die über solche Ad-hoc-Maßnahmen hinausgehen. So ist der zunehmende Flugbetrieb mit privat genutzten Drohnen manchen Sicherheitspolitikern ein Dorn im Auge. Die geltenden Zulassungsregeln für diese Spielzeuge, die sich auch für gefährliche Zwecke einsetzen ließen, seien zu liberal.

Problematisiert wird beispielsweise auch der innerstädtische Standort von Betrieben, die auf ihrem Gelände brennbare Flüssigkeiten, Gase oder anderes gefahrenträchtiges Material produzieren und lagern. Und natürlich wird die Frage gestellt, ob die personelle und materielle Ausstattung der Berliner Polizei, Feuerwehr und anderer Sicherheits- und Rettungskräfte angesichts der Terrorgefahren noch ausreicht. Die rot-schwarze Koalition hatte vor gut einem Jahr – auf Initiative der Union – ein „Antiterror-Paket für die wachsende Stadt“ Berlin geschnürt, für das im Landeshaushalt 2016/17 jeweils 7,8 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden.

Koalitionsvertrag enthält kein Konzept zur Terrorbekämpfung

Dieses Paket, sagte ein Sprecher der Innenbehörde, könne entsprechend der Bedrohungslage angepasst werden. Dazu gehören zusätzliche Stellen für den Vollzugsdienst, der Ausbau der Kriminaltechnik, mehr Ausbildungskräfte und eine bessere Ausstattung der Berliner Polizei mit Schutzbekleidung, Waffen, Fahrzeugen und anderem Material. Allerdings wurde dieses Programm erst teilweise umgesetzt, obwohl die Senatsinnenverwaltung den Mehrbedarf bereits vor über einem Jahr damit begründet hatte, dass „Berlin einer der Brennpunkte des islamistischen Terrorismus in Deutschland ist“. Seit Jahren gingen die Bundessicherheitsbehörden von einem hohen Niveau abstrakter Gefährdung aus, „die in Anschlägen auch bei uns münden kann“.

Der Koalitionsvertrag von SPD, Linken und Grünen enthält kein Konzept zur Terrorbekämpfung in Berlin. Allerdings hat die neue Regierung den im Mai von SPD und CDU beschlossenen Masterplan für Integration und Sicherheit übernommen, in dem eindringlich vor der „Gefährdung durch einreisende islamistische Gewalttäter“ gewarnt wird.

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