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Bereits im Sommer gab es einen Brandanschlag auf das Jugendzentrum. Dabei wurde die Fassade zerstört und im Innern sind mehrere Computer beschädigt worden. Die Teilsanierung dauerte mehrere Wochen.

© Thilo Rückeis

Nach Brandanschlag: "Wir fühlen uns hilflos"

Nach dem Brandanschlag auf das Anton-Schmaus-Haus in Britz sind die Betreiber schockiert. Nur durch einen Zufall war das Jugendzentrum zur Tatzeit leer. Ein Besuch.

Es riecht verbrannt. Auf dem Rasen an der zerstörten Rückseite des Hauses liegen verkohltes Holz und von der Hitze verbogene Aluminiumteile. Nico, Timo und Leon sehen sich vorsichtig um: Zum Glück, im Haus scheint außer einigen Computern kaum etwas beschädigt zu sein. Und auch das Trampolin, die Baumhäuser, das Holzschiff „Anna Lindh“ und das Blockhaus im Garten stehen noch.

Eigentlich sind die Freunde an diesem Vormittag zum Fußballspielen auf dem Gelände des Anton-Schmaus-Hauses, kurz ASH, einem Kinder- und Jugendzentrum der „Sozialistischen Jugend Deutschlands – Die Falken“ in Britz verabredet gewesen. Doch nun wollen die drei erst mal sehen, wie schlimm es um ihren Lieblingstreffpunkt steht. Werden sie und die anderen Kinder und Jugendlichen hier überhaupt wie geplant einen großen Teil der Sommerferien verbringen können?

In der Nacht zu Montag war am ASH von zurzeit noch unbekannten Tätern vermutlich aus der Neonazi-Szene ein Brandanschlag verübt worden. Die Tat steht im Zusammenhang mit einer Reihe von Brandanschlägen auf linke Projekte in jener Nacht, die möglicherweise als Vergeltungsaktion für linke Angriffe auf NPD-Funktionäre begangen worden sind. „Das Schlimmste ist, dass wir mit den Kämpfen zwischen den Rechten und gewaltbereiten Linken überhaupt nichts zu tun haben. Wir leisten Demokratieerziehung, Gewaltfreiheit ist unsere oberste Maxime“, sagt Karsten Thiemann, Vorsitzender der Neuköllner „Falken“. „Wir fühlen uns hilflos, denn effektiv schützen kann man sich nicht“, so der 38-Jährige. Schließlich könne ein Kinder- und Jugendzentrum, in dem rund 40 Minderjährige täglich ihre Freizeit verbringen, nicht mit Stacheldraht und 24-Stunden-Wachdienst gesichert werden. Schon Thiemanns Eltern waren bei den „Falken“ aktiv, er und seine 32-jährige Schwester Korinna sind dabei, so lange sie denken können.

Der Schock über das Geschehen ist den Geschwistern anzumerken. Kein Wunder, es hätte alles viel schlimmer ausgehen können: Es kommt oft vor, dass im Anton-Schmaus-Haus Gäste übernachten, auch unterhalb der Woche. Kürzlich waren es zwei Frauen aus einer israelischen Gewerkschaftsdelegation, und zuletzt fand in der Nacht vor dem Anschlag eine Kindergeburtstagsfeier mit Übernachtung statt, an der auch Sechstklässler Timo teilgenommen hat. „Wir sind am Sonntagnachmittag gegangen. Zum Glück”, sagt der Elfjährige, ein leises Frösteln in der Stimme.

Wenn sie den von dichten Gehölzen umgebenen, von der Straße nicht einsehbaren Pfad zum Anton-Schmaus-Haus entlanggehen, haben sie eigentlich immer etwas Angst, besonders im Dunkeln, erzählt der 15-jährige Nico. Schließlich wurde das Anton-Schmaus-Haus, in dem rund 40 Prozent der Kinder nicht-deutscher Herkunft sind, schon öfter mit rechtsradikalen Parolen beschmiert. Nur etwa 30 Meter von der Stelle, wo der Pfad zum Jugendzentrum von der Straße abzweigt, prangt ein großes schwarzes „NPD jetzt” auf einem Sammelcontainer. „Wir arbeiten sehr gut mit der Neuköllner Polizei zusammen. Aber die hat auch nicht genug Leute, um hier Tag und Nacht Streife zu laufen”, sagt Thiemann. Er ist froh, dass wenigstens das benachbarte BVG-Gelände, von dem aus der Brand gemeldet wurde, nachts etwas Licht auf das ASH wirft.

In den nächsten Wochen soll nun die Teilsanierung des beschädigten Hauses erfolgen. Und die Kinder- und Jugendarbeit, die Hausaufgabenbetreuung, Demokratieerziehung, die Musik- und Sportgruppen sollen parallel dazu weiterlaufen. „Wir könnten viele Aktivitäten nach draußen verlagern und oft Ausflüge machen”, plant Thiemann. Doch erst mal müssen die Versicherung und das Bezirksamt ihre Zustimmung geben, dass sich die Kinder jenseits der Bauabsperrungen in den kommenden Wochen auf dem Gelände aufhalten dürfen. Wenn es mit der Zusage klappt, gibt es jede Menge zu telefonieren und organisieren. Denn die Gruppen- und Ausflugsarbeit des ASH, in der noch mal rund 100 Kinder aktiv sind, wird zu großen Teilen von ehrenamtlichen Helfern getragen. Aber vielleicht hat Thiemann ja weiter Glück: Manche der 20 ehrenamtlichen Mitarbeiter haben den „Falken” nämlich schon öfter einen Jahresurlaub gewidmet. Einfach so. Und das noch nicht mal in einer solchen Notsituation. Eva Kalwa

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