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Kein Durchkommen. Seit 2003 ist die Wilhelmstraße gesperrt.

© Thilo Rückeis

Nach Briefen an die britische Botschaft: Offene Wilhelmstraße wieder ein Thema

Seit acht Jahren schotten 48 Stahlpoller die britische Botschaft in der Wilhelmstraße 70 vom Autoverkehr hermetisch ab. Aber das muss nicht ewig so bleiben.

Nur Radfahrer und Fußgänger dürfen das Straßenstück zwischen den „Linden“ und der Behrenstraße passieren. Acht (!) Polizisten bewachen Tag und Nacht die britische Botschaft, während sich der Verkehr durch die Nebenstraßen quält. Eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen der City wurde 2003 aufgrund der damaligen Sicherheitsrisiken nach einem Anschlag auf das britische Generalkonsulat in Istanbul gekappt. Wenn irgendwo in der Nähe – wie jetzt in der Behrenstraße – gebaut wird, bereitet die Sperre zusätzlichen Verdruss. Ist sie noch zeitgemäß? Ist die Botschaft auch noch acht Jahre nach einem Anschlag in der Türkei überhaupt so gefährdet, dass die Abschottung gerechtfertigt ist? Bislang kam von der Senatsinnenverwaltung stets die stereotype Antwort, dass die Sicherheitslage unverändert sei.

„Aber das muss ja nicht ewig so bleiben“, sagt jetzt der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses Uwe Lehmann-Brauns. Er schrieb dem britischen Botschafter und fragte, „ob die Sicherheitsbedürfnisse der Botschaft nicht auch ohne die Sperrung der Wilhelmstraße befriedigt werden können“, denn „die Stadt fände sich nur ungern mit einer unabsehbaren Dauer dieser Einschränkung ihrer Mobilität ab“. Dem Innensenator wird vorgeschlagen, „schonendere Maßnahmen“ , etwa parallel laufende Poller, aufzustellen. Der britische Botschafter Simon McDonald antwortete: „Sollten die deutschen Behörden ihre Einschätzung der Sicherheitsbedrohung ändern, wäre ich bereit, sofort und konstruktiv mit ihnen über die Änderungen zu sprechen, die sie vorschlagen“.

Nun liegt der Ball beim Landeskriminalamt und beim Innensenator, der eine rasche Prüfung der aktuellen Gefährdungslage zugesagt hat. Am Freitag oder in den nächsten Tagen wollen sich die Behörden dazu äußern. „Jedenfalls sei die Öffnung der Wilhelmstraße wieder ein Thema“, sagt Lehmann-Brauns. Autofahrer bestätigen, wie lästig dieser Verschluss einer wichtigen Verkehrsader mitten in der Stadt ist. Nicht nur die Bus-Linie 200 fährt Umwege, auch die Krankenwagen quälen sich über Umleitungen zur nahen Charité, von den Schleichwegen der Taxis ganz zu schweigen.

Der Dramatiker Rolf Hochhuth, der quasi um die Ecke wohnt, schrieb nun, was er so ähnlich dieser Zeitung gesagt hatte, als die traditionsreichste Straße Berlins für Autos zugemacht worden ist: „Keine andere Nation als wir hätte – zum Beispiel in London! – deshalb die Zufahrt zur Deutschen Botschaft geschlossen, weil in einem fernen Erdteil Attentäter sich an einer deutschen Vertretung vergriffen hätten.“ „Wir Deutschen“, sagt Hochhuth, „sind ein bisschen zu beflissen, Fremden gegenüber demütig ergeben zu sein“. Der Dichter zitiert den Baseler Jakob Burckhardt, der 1860 höflich schrieb, Deutsche seien „rascher assimilierbar als andere Völker“. Und Churchill bemerkte grob, doch zutreffend: „Entweder man hat die Hunnen zu Füßen oder an der Gurgel.“

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