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Berlin: Nach dem Autounfall griff der Amokläufer zur Kettensäge

Eine junge Mutter wurde Zufallsopfer des psychisch Kranken Staatsanwaltschaft strebt dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie an

Seine rechte Hand liegt schützend auf dem verstümmelten linken Arm. Mit schüchternem Lächeln sieht sich der Mann auf der Anklagebank im Saal B 129 des Landgerichts um. Dort geht es seit gestern um das Unheil, das er angerichtet hat: Der 37-jährige Massimiliano P. ist der Amokläufer, der vor einem halben Jahr mit laufender Kettensäge eine junge Mutter angegriffen und lebensgefährlich verletzt hat. Danach schlug er sich mit einem Beil die linke Hand ab.

Täter und Opfer kannten sich vom Sehen, als Nachbarn in einer Laubenkolonie in der Mecklenburgischen Straße. Die 35-jährige Kerstin R. konnte mit dem Gewaltausbruch nicht rechnen. Sie wurde das Zufallsopfer eines psychisch Kranken. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war es Mordversuch im Zustand der Schuldunfähigkeit. Sie strebt dauerhafte Unterbringung des Italieners in einer geschlossenen Psychiatrie an. Der Prozess findet deshalb unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Kerstin R. hatte am 27. Juni letzten Jahres gerade eine ihrer Töchter aus dem Kindergarten abgeholt. Gegen 15 Uhr 30 spazierte sie mit den ein- und dreijährigen Mädchen durch die Kleingartenanlage in Wilmersdorf. Begleitet wurde sie von ihrer 30-jährigen Schwester und deren zehnjährigem Sohn. Plötzlich rannte Massimiliano P. auf sie zu. Er kam vom Gartengrundstück seiner Schwiegermutter und hielt die laufende Kettensäge in der Hand.

„Er stürzte sich direkt und ohne Vorwarnung auf meine Mandantin“, sagt der Anwalt von Kerstin R. am Rande des Prozesses. Der Angreifer habe möglicherweise versucht, ihr den Kopf abzutrennen. Er verletzte die junge Mutter an Unterkiefer, Nacken, Hals, Schulter, Rücken und Arm. Bei der Attacke sprang das Kettenblatt von der Säge. Das rettete der Frau vermutlich das Leben. „Hier musste ein ganzes Heer von Schutzengeln zusammenhalten, dass meine Mandantin den Vorfall überhaupt überlebt hat“, sagt Nebenklage-Anwalt Roland Weber. Bis heute sei sie schwer traumatisiert und in Behandlung.

Von Massimiliano P. war bekannt, dass er jahrelang Drogen konsumiert hat. In der Nachbarschaft war er durch gestörtes Verhalten aufgefallen. So soll er einmal nackt auf der Straße gestanden und geflucht haben. Eine halbe Stunde vor dem Angriff mit der Kettensäge hatte er einen Autounfall mit Blechschaden verursacht. Danach flüchtete er zur Parzelle seiner Schwiegermutter, griff sich die Kettensäge, schaltete sie ein und lief zurück auf den Gartenweg.

Im Prozess soll der gelernte Metallmechaniker erklärt haben, dass er selber nicht verstehe, wieso er das getan hat. Er müsse „in einer anderen Realität“ gelebt haben. Auch von Angst vor dem Alleinsein soll der unter Verfolgungswahn Leidende gesprochen haben. Wenige Tage vor dem Amoklauf war seine deutsche Ehefrau in einer Psychiatrie untergebracht worden. Möglicherweise ist er damit nicht klargekommen. Vor Gericht soll er sich unter Tränen bei seinem Opfer entschuldigt haben. Das Urteil wird bislang für den 20. Januar erwartet.

Kerstin Gehrke

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