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Der Stich zeigt die „Churfürstlichen Residentz Berlin“ von 1688.

© Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz/bpk

Nach dem Dreißigjährigen Krieg: Die Stadt wächst

Berlin/Cölln hat den Dreißigjährigen Krieg nur mit großen Verlusten überstanden. Doch nicht lange danach rappelt sich die Doppelstadt auf und beginnt zu wachsen.

Oben, unten, Norden, Süden – das geht auf diesem Kartenblatt kreuz und quer. Es entstammt dem 1774 von dem Kupferstecher Johann David Schleuen herausgegebenen Buch „Die Königl. Residenz Berlin“ und enthält gleich zwei Darstellungen der Stadt: einen großen Plan „nach der Perspectivischen Vorstellung“ des Ingenieurs Johann Bernhard Schultz, der die Stadt 1688, im Todesjahr des Großen Kurfürsten, zeigt; und einen kleinen aus dem Jahr 1700, nach einer Gedenkmünze, geschaffen von Raimund Faltz, dem aus Schweden stammenden Hofmedailleur von Kurfürst Friedrich III. Den kennt man besser als Friedrich I., seit er sich 1701 mit kaiserlicher Zustimmung zum König in Preußen krönte.

Das Verwirrende an dem Blatt ist, dass beide Kartographen sich um die heute gewohnte Nordausrichtung nicht kümmerten, allerdings mit fast entgegengesetztem Ergebnis. Bei Schultz steht Berlin sozusagen Kopf, Norden ist etwa da, wohin die unterste der Bastionen weist, so hießen die spitz aus dem Festungswall hervorspringenden Verteidigungsanlagen.

Bei Faltz ist die Nordbastion dagegen die, die auf das Wort „Medaille“ (rechts oben) weist, die beiden Pläne sind also gegeneinander um rund 180 Grad verdreht.

Doch bei allem Durcheinander bleibt eines klar: Berlin hat unter dem seit 1640 regierenden Großen Kurfürsten und seinem Nachfolger Friedrich III. einen Riesensprung nach vorn gemacht – mit gleich drei Stadterweiterungen, den ersten wirklich großen in der Stadtgeschichte. Kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg entstand Friedrichswerder westlich von Cölln und noch innerhalb der neuen Stadtbefestigung. Dorotheenstadt, seit 1674 angelegt, umfasst den nördlichen Teil der zum Tiergarten führenden Allee, woraus der Boulevard Unter den Linden wurde. Und schließlich Friedrichstadt, das nach dem Tode des Großen Kurfürsten südlich der Dorotheenstadt gebaut wurde. Drei Brücken führten mittlerweile über die Spree: der Mühlendamm, die Lange Brücke, aus der später die Rathausbrücke wurde, und die hölzerne Hundebrücke, mehr ein Steg, an dem der Kurfürst vor Jagdausflügen seine Hundemeute versammeln ließ.

Wie armselig hatte die Stadt, nun eine prosperierende Gemeinde, dagegen noch im Dreißigjährigen Krieg ausgesehen! „In Berlin, dem kümmerlichen Residenzstädtchen des Hauses Brandenburg, war er lustig und bezauberte die Prinzessinnen“ – so hatte Golo Mann in seiner Wallenstein-Biografie den vom Titelhelden zweimal besuchten Ort treffend charakterisiert.CA. 1:10.000] Und damals gab es sogar noch Vorstädte außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer, eine erste Ahnung von künftiger Größe.

Doch nun waren auch die weg, niedergebrannt 1640 und 1641 auf Befehl des kurfürstlichen Statthalters Adam von Schwarzenberg, um freies Schussfeld zu schaffen und Erdwälle aufschütten zu können. In beiden Fällen hatten sich schwedische Truppen – mittlerweile Feinde Brandenburgs – der Doppelstadt genähert, waren aber weitergezogen. Die wütenden Bürger forderten Schadenersatz, und sogar Kurfürst Friedrich Wilhelm erklärte sein „besonderes Missfallen“. Zu einem Prozess gegen Schwarzenberg kam es nicht mehr, da er zuvor an einem Schlaganfall starb.

Auch die Bevölkerung in der Doppelstadt war geschrumpft. Am Anfang des Krieges, also zu der Zeit, als Gustav Adolf seine Maria Eleonora umwarb, waren es etwa 10 000 Bewohner, danach nur noch 7000, ein Schwund von 30 Prozent. In Orten wie Oderberg oder Templin waren es sogar mehr als 75 Prozent.

Zudem hatte Berlin-Cölln zeitweise seine Residenzfunktion verloren, weil Kurfürst Georg Wilhelm und sein Sohn Friedrich Wilhelm lieber vom sicheren Königsberg aus regierten. Luxusgüter waren in dem Doppel-Kaff an der Spree zu dieser Zeit kaum mehr zu bekommen. Schlimmer noch, selbst im Cöllner Schloss herrschte ein so großer Mangel, dass man Friedrich Wilhelm, als der Anfang 1645 die Stadt doch wieder einmal besuchen wollte, vorsorglich warnte, „das bey Ew. Chfl. Durchlaucht wider anherokunfft so gar kein Mundt Wein vorhanden sein wird.“ 

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