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Bibi (l) und Franzi küssen sich beim Christopher Street Day (CSD) vor dem Brandenburger Tor. Die CDU hat jetzt abgestimmt, ob auch gleicheschlechtliche Paare heiraten können sollen.

© Sophia Kembowski/dpa

Nach dem Nein zur Ehe für alle: Berlins CDU hat die Stadt sehr wohl verstanden

Nach dem Nein der Berliner CDU zur Öffnung der Ehe heißt es, die Partei habe die Stadt nicht verstanden. Das ist falsch, schreibt Christoph Lehmann, Mitglied des CDU-Landesvorstands. Ein Gastkommentar.

Es war ja nicht anders zu erwarten: Kaum war das Ergebnis der Mitgliederbefragung der CDU Berlin zur Ehe für gleichgeschlechtliche Paare bekannt geworden, brach auch schon der mediale Shit-storm aus. Für den Landesvorsitzenden der Grünen ist das Ergebnis ein Zeichen dafür, dass die CDU ein reaktionärer Verein sei, für den Landesvorsitzenden der SPD ist der gesellschaftliche Fortschritt offensichtlich an der Mehrheit der Berliner CDU vorbeigegangen, für die Linkspartei ist die Union in Berlin „das letzte Biotop konservativer Spießigkeit und Piefigkeit.“ Und Volker Beck, die Fleisch gewordene Selbstgerechtigkeit der LGBT-Bewegung, möchte nicht mehr warten, bis „der letzte Hansel“ (er redet übrigens von der Mehrheit der Partei, die bei den letzten Bundestagswahlen in Deutschland und auch in Berlin deutlich stärkste Partei geworden ist) seine Vorurteile über Bord geworfen habe.

Wie wohltuend hebt sich davon doch das ab, was die CDU in Berlin in den letzten Wochen vorgelebt hat. Statt polemisch Menschen abzukanzeln, die anderer Meinung sind, wurde in der CDU ernsthaft und interessant diskutiert. Hier wurde argumentiert, nicht einfach die Meinung anderer verunglimpft, kurzum mit Respekt füreinander und die jeweils andere Position umgegangen. Macht es eine Ehe allein aus, dass Menschen Verantwortung füreinander übernehmen? Oder soll der Begriff der Ehe den Beziehungen vorbehalten sein, in denen auf natürliche Weise Familie entstehen kann? Sollte man Ungleiches gleich behandeln oder rechtfertigen die Ungleichheiten zwischen gleichgeschlechtlichen und zwischengeschlechtlichen Paaren keine Unterscheidung mehr? Das waren die Fragen, die in vielen Versammlungen ernsthaft und ohne jede Herabwürdigung der jeweils anderen Position diskutiert wurden. Wer die Gespräche verfolgt hat, war über deren Niveau erstaunt. Manch einer hat sich zum ersten Mal mit dem Thema beschäftigt, viele haben dazugelernt, manche auch im Verlauf der Debatte ihre Meinung geändert.

Die Führung der Berliner CDU ist ein Risiko mit der Mitgliederbefragung eingegangen. Das Thema ist keines, das den Menschen auf den Nägeln brennt. Bei einer Umfrage von Allensbach über die Frage, welche Themen den Menschen wichtig sind, hat die „Homo-Ehe“ von zehn vorgegebenen Antworten den letzten Platz belegt. Angesichts dessen ist eine Beteiligung von rund 40% der Mitglieder schon ein Erfolg. Und natürlich war vielen klar, dass ein „Nein“ zur Homo-Ehe erst einmal Wasser auf die Mühlen derjenigen Sozialdemokraten und Grünen sein würde, die Gründe suchen, um nicht mit der CDU zu regieren. Dennoch hat Frank Henkel sich dafür entschieden, „Demokratie zu wagen“. Und die Mitglieder der CDU haben dann doch eher nach ihrer Überzeugung abgestimmt statt anhand der Frage, welches Abstimmungsergebnis denn einem möglichen Koalitionspartner im Jahre 2016 gefallen könnte. Und auch das ist richtig: Eine Partei muss sich erst einmal über ihre eigene Position im klaren werden, um dann zu sehen, welche davon sie in Bündnissen mit anderen Parteien durchsetzen kann.

Nun meinen einige, die CDU habe die Stadt nicht verstanden. Falsch. Diese Stadt ist immer schon der Ort gewesen, an dem offen diskutiert wurde, der Meinungsunterschiede ausgehalten hat und gerade dadurch interessant war. Oberlehrerhaftes Gehabe passt nicht zu Berlin, wir brauchen hier keine Menschen, die uns vorschreiben, was wir zu denken haben, wenn wir „modern“ sein wollen. Modern ist es, undogmatisch und sachorientiert über Lösungen zu sprechen. Weltstädtisch ist es, möglichst viele Menschen an diesem Diskurs teilhaben zu lassen. Die CDU Berlin hat gezeigt, dass sie diese Stadt viel besser verstanden hat als diejenigen, die jetzt über sie herfallen und den Menschen vorschreiben wollen, was sie zu denken haben.

Der Autor ist Mitglied im Landesvorstand der CDU Berlin.

Christoph Lehmann

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